Peter Leingartners Kuechenwelt
Rezept für “Tiroler Kutteln” beweist:
Saure Kutteln: Dunkle Einbrenn machen, mit Weißwein ablöschen, mit Suppe aufgießen bis es dickflüssig wird; die feingeschnittenen Kutteln hinein geben und mit Lorbeerblatt, Salz, weißem Pfeffer und zerbröseltem Suppenwürfel würzen. Ein Spritzer Essig verfeinert das Ganze.
Geröstete Kutteln: Fett, Zwiebel und Pfeffer anschwitzen lassen; fein geschnittene Kutteln dazugeben und braun rösten. Mit Salz, Kümmel, Pfeffer und zwei bis drei Esslöffel Sauerrahm abstimmen.
Es möge schmecken!
Des Samurai ’s Küchen-Kastl
Kyushu
Als einziger ausländischer Gast war ich bei einer Grafenhochzeit in einem japanischen Wasser-Schloss dabei. Diese ganz außergewöhnliche, für Nicht-Japaner eigentlich sonst völlig unerreichbare Ehre wusste ich wohl zu schätzen: Mein – in einer früheren Geschichte bereits erwähnter – Freund Mitsu Harada hatte mich zur Hochzeit des Bruders seiner Schwägerin eingeladen. Und dessen Zukünftige – so gut müsst ’ man’s haben – war eine Grafentochter aus dem uralten Adelsgeschlecht der Tachibana. Sie leben heute in Tokio, aber die damaligen Festivitäten fanden auf dem Stammsitz der Familie, einem riesigen Wasserschloss aus dem fünfzehnten Jahrhundert, auf der Insel Kyushu statt, von großangelegten Kanal-systemen und kunstvollen Gärten umgeben.
Auch ich hatte mich in einen besonders gediegenen Kimono gehüllt – westliche Kleidung wäre hier völlig fehl “am Platze” gewesen – und zusammen mit den anderen zweihundert Gästen im Festsaal an einer einzigen langen Speisetafel niedergelassen. “Niedergelassen” ist hier wörtlich zu verstehen, denn statt Stühlen dienen Strohmatten als Sitzgelegenheit. Die Kellnerinnen – ausschließlich weibliche Bedienungen sind bei solchen traditionellen Zeremonien eingesetzt: “Geishas” – rutschen auf den Knien zu den Gästen.
Serviert wird jedem das Gleiche: die “Obento”. Das ist ein hochglanz-lackiertes Kästchen mit äußerst kunstvoll bemaltem Emaille-Deckel voller Symbolik. Da sind fein-ziselierte Reiher zu sehen, Chrysanthemen…, anlassgemäß – Hochzeits-Kästchen sehen anders aus als zum Beispiel Geburts- oder Trauerfeier-Kästchen.
Das Innere der Obentos weist einzelne, verschieden-große Abteilungen auf; man muss es sich ähnlich wie einen Setzkasten vorstellen, von etwa dreissig mal vierzig Zentimeter Gesamtgröße. Je nach Reichtum des Gastgebers können elfenbein- oder gar goldbelegte Abteile enthalten sein.
Festessen nach unseren Begriffen sind in den japanischen Gebräuchen nicht bekannt. Es steht hier vielmehr das Zeremoniell jahrhundertealter Tradition stark im Vordergrund. Je vornehmer das Fest, desto strikter die Einhaltung der Regeln. So darf zum Beispiel niemand auch nur einen einzigen Blick in die Küche werfen – nicht einmal die Geishas beim Servieren. Dazu hat man eine Art “Schleusensystem” vorgesehen: aus der Küche führt eine Durchreiche in einen kleinen Zwischenablageraum, und erst wenn die Durchreiche wieder geschlossen ist, dürfen die fertig gefüllten Kästchen von dort abgeholt werden.
Jedes Kästchen enthält – in einem Mal – die gesamte Speisen-”Folge”, nach strengem Ritual abgestimmt: gestockte Eiersuppe, rohen Fisch, gekochten Fisch, Seetang, Shrimps, Sushi, Soja, Sashimi, Kastanienpürree, evtl. ein wenig Rindfleisch… – vor allem aber Fischgerichte.
Die Speisen sind kalt oder lauwarm und in kunstvollster Miniaturarbeit in ihren jeweiligen Abteilen drapiert – zum Beispiel mit einem wahrhaft spinnwebenfeinen Netz aus verwobenen Rettichstreifen eingehüllt… und anderes mehr. Im größten, im Mittelabteil, war bei “meiner” Fürstenhochzeit eine brennende Kerze befestigt, die sozusagen “live” dabei war, vor meinen Augen “voll-automatisch” den geschickt darüber platzierten Fisch zu grillen – und das bei zweihundert Kästchen zugleich; der absolute Höhepunkt an Anrichtekunst, wie ihn eben nur Japaner mit unendlicher asiatischer Emsigkeit zustande-zubringen vermögen.
Sobald jeder Gast sein – noch verschlossenes – Kästchen vor sich stehen hatte, begann der alte Graf Kazuo Tachibana, unser Gastgeber, zu essen. Erst dann durften wir “Gewöhnlichen” unsere Deckel lüften und ebenfalls essen. Gegessen wird direkt aus den Kästchen und ausschließlich mit Stäbchen. Man ist an keine bestimmte Speisefolge gebunden, jedoch sollte man sich bei der Nahrungsaufnahme beeilen, da einerseits
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