Peter Nimble und seine magischen Augen
dazu. Nach und nach konnte man einzelne Stimmen unterscheiden. Sir Tode hörte, wie der Dieb namens Twiddlesticks über den Lärm hinweg Befehle brüllte: »Los, schnappt sie euch, Kumpels! Zerreißt eure Hemden, wenn’s sein muss. Hauptsache, wir sacken die Vögelchen ein!« Es klang so, als hätten die Diebe alle ihre Netze aufgebraucht und benutzten jetzt sämtliche Stofffetzen, die sie finden konnten, um daraus Säcke zu machen.
Andere leisere Stimmen bewegten sich in der Wolke hin und her. »Raben in Gefechtsformation!«, krächzte eine von ihnen.
Simons Klauen gruben sich in den Rand des Korbs. Es war viele Jahre her, seit er dieses Krächzen gehört hatte. »Captain Amos«, flüsterte er.
Eine weitere vertraute Stimme erklang. »Zerfetzt die Säcke! Wir müssen unsere Brüder befreien!«
»Und Titus!«, rief Simon aufgeregt. »Beeilen Sie sich, Sir Tode!«
»Ich versuch’s ja, aber dieser verfluchte Wind treibt uns immer wieder ab!« Sir Tode verbiss sich in eins der Taue und hängte sich mit seinem ganzen Gewicht daran. »Können Sie erkennen, wer siegt?«
Simon lauschte angestrengt. »Es klingt, als wären unsere Truppen stark geschwächt. Raben sind es gewohnt, im Kampf einem einzigen Anführer zu folgen, aber die Diebe sind chaotisch und unorganisiert, und ich fürchte, dieses Durcheinander ist zum Vorteil der Verräter.« Er schluckte nervös. »Aber Captain Amos ist ein großartiger Krieger. Solange er in der Luft ist, wird die Gerechtigkeit siegen.«
Der Ritter war nicht so zuversichtlich. Für ihn klang es so, als hätten die Diebe deutlich mehr Spaß als die Vögel. In ihren Schlachtrufen lag ein Hauch von Übermut, der ihm ganz und gar nicht gefiel.
Endlich durchstieß die Flugmaschine das Auge des Sturms, sodass sie sehen konnten, was unten geschah. Die Dünen waren mit Federn und Fleisch bedeckt. Direkt unter ihnen befand sich eine große Grube, die mit Stoffsäcken gefüllt war. Die Raben darin zappelten und flatterten mit aller Kraft und versuchten, sich daraus zu befreien. »Wieso nehmen sie die Vögel als Gefangene?«, fragte Sir Tode verwirrt.
»Für die Diebe ist es einfacher, die Raben zu fangen und später zu töten«, erklärte Simon. »Wenn wir nur noch wenige sind, werden sie mit den Hinrichtungen beginnen.« Sowie die Dinge aussahen, war dieser Augenblick nicht mehr fern. Captain Amos und seine Truppe bemühten sich, ihre gefangenen Brüder zu befreien, aber jeder Versuch führte nur zu weiteren Verlusten. Die Grube war bereits bis zum Rand gefüllt.
Die Raben flogen einen Bogen, um ein weiteres Mal anzugreifen, doch die Diebe waren bereit. Zehn Männer sprangen mit einem Sack in der Hand aus ihren Verstecken. »Ich hab einen!« Twiddlesticks wälzte sich im Sand und versuchte, einen Vogel in seinen Sack zu stopfen.
Es war Captain Amos.
»Lasst mich!«, rief er seiner Truppe zu. »Ihr müsst eure Brüder befreien!« Er wand sich hin und her, um seinem Häscher zu entkommen. Doch als er zum Himmel blickte, hielt er mitten in der Bewegung inne. »Das kann nicht sein«, flüsterte er. Durch den wirbelnden Sand sah er den Umriss eines magischen Gefährts … und auf dem Rand des Bugs saß eine Gestalt, die er seit vielen Jahren nicht mehr gesehen hatte.
Mit neuer Kraft befreite sich Captain Amos aus Twiddlesticks’ Griff. »Seht zum Himmel, Brüder!«, rief er. »Es ist Simon, er kommt zu uns zurück! Die Gerechtigkeit hat – « Doch er konnte seinen Satz nicht mehr beenden. Ein kleiner Dieb namens Skip warf ihm sein Messer direkt ins Herz. Der Rabe stieß ein blutiges Gurgeln aus, erstarrte mitten in der Bewegung und fiel zu Boden.
Im gleichen Moment stürzten die anderen Raben in den Sand, als wäre auch ihr Herz durchbohrt worden. Fassungslos starrten sie auf den Leichnam ihres tapferen Anführers. Simon verfolgte das Ganze von oben, denselben entsetzten Ausdruck im Gesicht. Der große Captain Amos war tot, niedergemetzelt von einem Verräter.
Die Diebe nutzten die Schockstarre der Raben und begannen mit den Hinrichtungen. Twiddlesticks und die anderen wateten durch die Grube und stachen übermütig auf die Säcke ein. Die wenigen noch nicht gefangenen Raben sahen tatenlos zu, wie gelähmt vor Trauer.
»Warum kämpfen sie nicht?«, fragte Sir Tode aufgebracht. »Sie müssen doch etwas tun !«
»Was denn?«, krächzte Simon heiser. »Ohne Anführer können wir nichts tun.«
Der Ritter verdrehte die Augen. »Dann geben Sie ihnen einen Anführer, verdammt noch
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