Peter Walsh - Gesamtausgabe Teil 1 - 4 zum Sonderpreis, Thriller (German Edition)
eigentliche treibende Kraft. Und umgekehrt verhielt es sich mit Sexualstraftätern. Hier stand der Sex im Vordergrund, aber nicht der Mord. Sie hatten mal einen Kinderschänder vernommen und gefragt, warum er sein Opfer ermordete, nachdem er es zwei Wochen lang im Keller eingesperrt und täglich mehrmals vergewaltigt hatte. Seine Antwort war kurz und knapp: „Weil ich Angst hatte, erwischt zu werden.“
Ansonsten hätte er sein Opfer noch über Jahre hinweg am Leben gelassen und seine sexuell abartigen Phantasien an ihm ausgelebt. Wolke und sein Team hatten viel Abschaum in ihrer Berufskarriere gesehen und es schien, als ob auch dieses Mal die Gesellschaft seine wahre Fratze zeigte. Denn der Abschaum war eine nie versiegende Quelle des menschlichen Gewissens.
„Und was machen wir mit dem Detektiv?“, fragte Miehle.
Wolke hatte den fast schon wieder vergessen gehabt.
„Nichts. Den halte ich für ungefährlich. Ein Anfänger. Der hat mit Entführungen überhaupt keine Erfahrung. Solange uns die Staatsanwaltschaft nicht auffordert, Akteneinsicht zu gewähren, soll der mir nicht im Wege stehen. Aber du bist für ihn verantwortlich. Wenn er hier anruft, darf nur Miehle mit ihm kommunizieren. Wimmle ihn ab, verweis ihn auf die Staatsanwaltschaft oder leg einfach den Hörer auf. Mir scheiß egal, aber ich will seine Fresse nicht sehen und seine Stimme nicht hören.“
„Chef …“
„Nix „Chef“, den Blick kenne ich. So schlimm wird das nicht! Dem habe ich eingeheizt, der meldet sich bestimmt nicht“, unterbrach ihn Wolke, da er am Blick und der Körperhaltung sofort bemerkte, dass Miehle alles andere als erfreut über die Aufgabe war. Die anderen Kollegen lachten und Prochnow, der neben ihm saß, klopfte ihm auf die Schultern.
„Ihr wisst, was zu tun ist. Wenn es keine neuen Erkenntnisse gibt, treffen wir uns morgen um 21 Uhr zur Teambesprechung. Die Teambesprechung morgen früh entfällt. Ich denke, jeder weiß, war er zu tun hat. Bruhns, Kraft, ich will, dass ihr mich direkt nach dem Gespräch mit dem Bruder von Melanie Vogel unterrichtet. Miehle, du kommst auf mich zu, sobald du deine Videoanalyse über den Bruder fertig hast. Gut, das wars dann. Ab in die Kiste mit euch und bis morgen früh.“
Die Gruppe löste sich auf und Wolke blieb noch für einen kurzen Augenblick zurück. Er hoffte, dass der morgige Tag verwertbare Erkenntnisse zutage förderte. Hinweise hatten sie, aber ob diese Hinweise verwertbar waren oder nicht, würde sich in den nächsten Tagen erst zeigen. Wolke hoffte, dass sie nicht auf der falschen Fährte waren. Vielleicht lieferte der nächste Tag Antworten auf brennende Fragen, vielleicht aber auch nur neue Fragen. Mit diesen Gedanken löschte er das Licht und verließ den Besprechungsraum, um nach Hause zu fahren und sich ein paar Stunden Ruhe zu gönnen.
Kapitel 18
Tag 3 nach der Entführung, Mannheim
Um 23:35 Uhr hielt das Taxi am Paradeplatz im Mannheimer Zentrum an. Walsh gab ein ordentliches Trinkgeld. Am Frankfurter Flughafen hatte er bereits 6.000 US-Dollar in Euro umgetauscht. Er wollte nicht sein gesamtes Geld in Euro umtauschen, da er noch nicht abschätzen konnte, ob er nicht doch noch Dollar brauchen würde. Das war eine alte Agentenangewohnheit von ihm: Nie ohne Dollarnoten in der Tasche aus dem Haus gehen.
Die Nacht war angenehm mild. Walsh schaute sich den Paradeplatz an, einige wenige nachtaktive Eulen tummelten sich dort noch. Der Paradeplatz in Mannheim lag sehr zentral und war oft Anlaufstelle für viele Mannheimer, die bei schönem Wetter dort verweilten oder in der Mittagspause ihren Snack aßen.
Walsh hatte sich absichtlich dort absetzen lassen statt direkt vor der Joes Wohnung. Er wollte noch ein wenig durch die Gegend laufen und den Kopf frei bekommen. Zwangsläufig hatte die Fahrt nach Mannheim Erinnerungen wachgerufen und damit auch alte Wunden. Er hatte hier seine Kindheit, seine Jugend und einen Teil seines jungen Erwachsenendaseins verbracht.
Als das Taxi an den Coleman Barracks vorbeifuhr, welche in der Nähe des Mannheimer Stadtteils Sandhofen liegen, in Blickweite zu Ikea, wurden diese Erinnerungen plötzlich sehr heftig. Dort hatte er jahrelang mit seinem Vater und seiner Mutter gelebt. Sein Vater war bei der Militär-Polizei der United States Air Force. Damals lebten einige Tausend Amerikaner auf dem amerikanischen Stützpunkt.
Aber in den letzten Jahren wurden die Soldaten abgezogen oder auf andere Stützpunkte verlegt.
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