Pfad der Schatten reiter4
Wand. An vielen Stoffen schimmerten Pailletten, Perlen und Metallfäden.
Es gab Kartons voller Federn und lange gerüschte Schals sowie einen ganzen Berg ungleicher Schuhe. Mützen, Hüte und ein Pferdekopf aus Pappmaché lagen in einer Ecke.
Die Näherinnen schauten weder auf, um zu sehen, wer ihr Reich betreten hatte, noch redeten sie miteinander. Ihre Konzentration war geradezu greifbar. Zwischen ihnen schritt eine große Frau in einem extravaganten, purpurfarbenen Kleid auf und ab, die einen Meterstab in der Hand hielt und damit bei jedem Schritt auf den Boden klopfte. Ihr Haar war kunstvoll in eleganten Kränzen auf dem Kopf aufgetürmt, ihre Wangen und Lippen hatte sie gekonnt mit Rouge geschminkt.
»Tee-gon, meine Liebe!«, rief die Frau, als sie alle auf dem obersten Treppenabsatz angekommen waren, eilte auf sie zu, legte ihre Hände auf Tegans Schultern und küsste die Luft über ihren Wangen.
»Hallo, Leadora«, grinste Tegan.
»Tee-gon, wo Sie haben so lange versteckt, eh?«
»Oh, Sie wissen ja, ich arbeite für den König.«
Leadora schnalzte mit der Zunge. »Er schreiben so viele Briefe? Wenn Sie kommen nicht ins Thee-ater, das macht Ihre Seele schrumpeln.«
Leadoras Akzent kam Karigan seltsam vor. Sie konnte ihn nicht einordnen.
»Mein Arbeitgeber nimmt meine Pflicht sehr ernst«, sagte Tegan. »Sie wissen ja, wie das ist.«
»Ja, ja, ja.« Leadoras Hand fuhr mit einer weit ausholenden, wegwerfenden Geste durch die Luft. »Und wer sind diese?«, fragte sie mit einem Blick auf Karigan und Mara. Karigan bemerkte ihren überraschten zweiten Blick, als sie die Brandnarben auf Maras Gesicht sah.
»Leadora, darf ich Ihnen meine Freundinnen Mara Brennyn und Karigan G’ladheon vorstellen. Mara und Karigan, das ist Madam Leadora Theadles, Chefin der Kostümbildnerinnen der Schauspieltruppe des Königlichen Theaters.«
Leadora sah Karigan erneut an, diesmal eingehender. »G’lad-hee-on? G’lad-hee-on … wie Stoff?«
»Ähm, ja«, antwortete Karigan.
Leadora klatschte in die Hände. »Seht gut Stoff. Sehr gut Qualität.« Dann drohte sie Karigan spielerisch mit dem Zeigefinger. »Aber sehr viel teuer! Zu teuer für geizig Theatergeschäfteführer.«
»Leadora«, fragte Tegan, »warum bist du hier oben? Es ist angenehmer, aber warum bist du umgezogen?«
Leadora legte eine Hand auf ihr Haar, als wollte sie es raufen, und verzog ihr Gesicht zu einem elenden Ausdruck. Karigan fragte sich allmählich, ob diese Frau nicht auf der Bühne besser aufgehoben wäre.
»Sehr schrecklich!«, rief Leadora. »Es war ein Flut.«
»Was für eine Flut?«
»Der schrecklich, schrecklich Keller, wo wir gearbeitet. Er geleckt hat. Der Schnee, Regen, Tauen. Ein Morgen ich komme
herein, und unser Werkstatt, es ist voll Wasser. Wir ziehen um zu diesem netteren Ort, ja? War Laden und Lager für andere Mieter – ein Schrankmacher, aber er zieht um.« Leadora verzog das Gesicht. »Er hinterlassen alle sein Sägemehl und Holzbrösel. Wir müssen fegen und fegen.« Dann seufzte sie. »Also jetzt wir sind viel beschäftigt. Meist alle unsere Kostüme und Stoff kaputt von Flut. Weg! Wertlos, zerstört.«
»Oje«, sagte Tegan.
»Ja. Sehr schlecht. Wir versuchen neu zu machen für nächste Produktion. Wir müssen alles machen von … wie sagt? … von vorne. Die Mädchen jetzt arbeiten sehr schwer.«
»So viel zu meiner Idee«, murmelte Tegan.
»Idee? Was ist das?«
»Nun ja«, sagte Tegan. »Karigan braucht ein Kostüm für den königlichen Maskenball heute Abend, und weil du mir einen Gefallen schuldest, dachte ich, dass du ihr vielleicht helfen könntest.«
»Oh, meine liebe Tee-gon!« Leadora begann auf und ab zu gehen und eine Flut unverständlicher Worte herauszusprudeln.
»Woher kommt sie?«, flüsterte Mara.
»Ich weiß es nicht genau«, sagte Tegan, »aber ich habe den Verdacht, dass sie von hier, aus dieser Stadt stammt.«
Karigan und Mara starrten sie an.
»Sie ist eine geniale Näherin, aber der Rest?« Tegan zuckte die Achseln.
»Aha! « Bei Leadoras Ausruf zuckten sie alle zusammen. Sie klopfte mit ihrem Meterstab auf den Boden. »Vielleicht ich helfen kann. Dann Schuld ist bezahlt, ja?«
»Wenn du Karigan ein passendes Kostüm besorgen kannst«, sagte Tegan, »dann ja.«
Leadora lächelte.
KÖNIGIN WÜSTINA DIE WAHNSINNIGE
Sobald sie in die Burg zurückgekehrt waren, nahm Tegan Karigans Vorbereitungen für den Maskenball in die Hand.
»Diese Perücke trage ich nicht«, sagte
Weitere Kostenlose Bücher