Pfad der Schatten reiter4
Karigan.
»Aber sie gehört zu deiner Verkleidung«, antwortete Tegan. »Und ich wette, schwarze Haare stehen dir gut. Abgesehen davon passt die Krone ohne die Perücke nicht. Probier es zumindest aus, und versuch vielleicht, ein bisschen weniger bärbeißig dreinzuschauen.«
»Du wärst auch bärbeißig, wenn du dieses blödsinnige Ding tragen müsstest.«
Sie blickte auf das Kleid mit seinem schrillen, von Silberfäden hervorgehobenen rot-weißen Karomuster hinab. Über die Säume der vielen Röcke waren zwischen den Rüschen die Abbildungen spielender Kätzchen aufgenäht worden. Auf dem linken Ärmel befand sich ein riesiges Herz aus Samt. Prall ausgestopfte, verborgene Taschen zu beiden Seiten ließen ihre Hüften riesig breit erscheinen, in einem Stil, den man seit Generationen nicht mehr gesehen hatte. Der Stoff war ein Satin von sehr schlechter Qualität, und die Stoffexpertin in ihr schüttelte sich vor Abscheu. Zweifellos glitzerte er in der Bühnenbeleuchtung kostbar genug, aber wenn man ihn näher betrachtete, war die Minderwertigkeit nicht zu übersehen.
Sie wusste, dass die Adligen auf dem Ball im Gegensatz zu ihr ausschließlich im elegantesten Stil gekleidet wären und
ihre Kostüme nur aus den feinsten Stoffen bestehen würden. Keiner von ihnen hätte sich dazu herabgelassen, ein solches Clownskostüm zu tragen.
Als ob die knallige Machart des Kostüms nicht genug gewesen wäre, stank es auch noch nach Moder und hatte einen gelben Fleck an einer peinlichen Stelle am Hinterteil. Anscheinend hatte es die Flut nicht ganz unversehrt überstanden. Leadora hatte eine Schleppe hinzugefügt, von der Karigan hoffte, sie würde den Fleck verbergen.
Das Kostüm war für jemanden genäht worden, der viel größer war als Karigan – die Rolle, für die dieses Kostüm konzipiert worden war, wurde oft von einem Mann verkörpert. Also hatte Leadora mit ihrem Meterstab gestikuliert wie ein Feldwebel und ihren Näherinnen befohlen, das Kostüm für Karigan zu ändern. Karigan hatte befürchtet, dass die Dutzende von Nähnadeln, die um sie herumsausten, sie totstechen würden, aber ihre Sorge war unnötig gewesen. Die Mädchen hatten ganz genau gewusst, was sie taten, und waren es gewohnt, schnell und präzise zu arbeiten. Sie hatten sie nicht ein einziges Mal gepiekst, und nun passte ihr das Kostüm dank ihres Könnens ausgezeichnet. Das war zumindest etwas.
Tegan hatte einen großen Spiegel aufgetrieben, in dem Karigan sich besser sehen konnte als in ihrem kleinen Handspiegel, und ihn auf den Schreibtisch gestellt. Karigan sah ihr Spiegelbild stirnrunzelnd an, als Tegan ihr die Perücke aufsetzte. Sie war sehr groß, ein lächerlicher Lockenturm aus Pferdehaar. Dann machte sich Tegan daran, Karigans braune Locken unter die Perücke zu stopfen. Als sie damit fertig war, setzte sie die Krone auf die Perücke und befestigte sie mit Nadeln.
Das ist mir ja eine tolle Krone, dachte Karigan, deren Laune von Minute zur Minute schlechter wurde. Kleine Schellen hingen von den Zacken der Krone herab wie bei der Kappe eines Hofnarren. Die kleinste Bewegung brachte sie zum Klingeln.
»Das wäre es fast, Eure Hoheit«, sagte Tegan. »Sobald wir am Ballsaal ankommen, werde ich dir mit der Maske helfen.«
Die Maske lag auf Karigans Schreibtisch. Da die Figur, die das Kostüm darstellte, auf der Bühne keine Maske trug, hatte Leadora improvisieren müssen. Sie hatte eine einfache schwarze Halbmaske gefunden und Nina angewiesen, sie mit roten Pailletten und Federn zu bekleben.
Karigan überlegte unwillkürlich, was die Waffen wohl von ihrem Kostüm halten würden. Zweifellos war heute eine ganze Menge von ihnen eingeteilt worden, um König Zacharias und Lady Estora zu schützen. Wahrscheinlich fanden sie ihre Erscheinung würdelos und bereuten es, sie zum Ehrenmitglied ihres Ordens ernannt zu haben. Vielleicht würden sie sogar den Knochenholzstab von ihr zurückfordern.
»Du musst zugeben«, sagte Tegan, »dass dieses Kostüm besser ist, als die Katze oder die Maus. Und ganz bestimmt besser als das Pferd!«
Karigan war sich dessen nicht so sicher. Dafür war sie sich völlig sicher, dass die Reiter, die vor ihrer Tür herumlungerten, sie diese Aufmachung niemals vergessen lassen würden.
»Du hättest das Hinterteil des Pferdes sein können«, schlug sie Tegan vor.
»Ha! Aber ich bin nicht eingeladen. Bist du jetzt bereit? Der Ball müsste inzwischen schon angefangen haben.«
Als Karigan bestätigend grummelte,
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