Pfad der Schatten reiter4
einem jüngeren Herrn statt.
»Allmählich habe ich wirklich genug von diesen Festen«, sagte der ältere Mann. Er trug eine Helmmaske mit einer ausgestopften Möwe oben drauf. Auf seinem Revers war eine Kormoranbrosche befestigt.
Lord Coutre, entschied Amberhill. Die Stimme klang wie die seine. Der jüngere Mann trug ebenfalls eine Kormoranbrosche, aber nur eine einfache Augenmaske aus schwarzer Seide, auf der sich silberblaue Federn sträubten.
»Einige davon wurden von Eurer Tochter initiiert«, sagte der jüngere Mann.
Amberhill dachte, dass dies Estoras Cousin Lord Spane sein musste. Er begleitete Lord Coutre häufig und diente als Estoras Anstandswauwau und Stellvertreter.
Amberhill blieb am Tisch stehen und tat so, als würde er mit der Entscheidung kämpfen, ob er ein Stück Zitronenkuchen oder ein Obsttörtchen nehmen sollte, während er dem Gespräch weiter lauschte.
»Ich weiß, ich weiß«, sagte Lord Coutre. »Ich wünschte nur, wir könnten dem ganzen Unsinn ein Ende machen und die beiden endlich verheiraten.«
»Die Sonnwende kommt bald.«
»Nicht bald genug. Aber wir müssen uns den Mondpriestern beugen, was das Datum angeht, denn sie halten es für verheißungsvoll. Die Götter wissen, dass wir uns eine erfolgreiche Ehe wünschen, und eine fruchtbare, damit Coutre seinen Einfluss auf den Thron behält. Denkt nur, Richmont! Einer meiner Enkel wird eines Tages über Sacoridien herrschen.«
»So wird es geschehen, mein Herr«, sagte Spane.
»Wir müssen dafür sorgen, dass nichts schiefgeht und alles sich so entwickelt, damit Estora glücklich wird. Auch wenn das bedeutet, diesen verdammten Festen beizuwohnen.«
»Ihr habt alles für sie getan«, versicherte Spane dem älteren Mann.
»Das stimmt schon, aber Ihr müsst mir etwas versprechen, Richmont. Versprecht mir, dass Ihr das Zustandekommen dieser Ehe sicherstellt, egal was kommen mag. Die Zukunft von Coutre hängt davon ab.«
»Ja, mein Herr, auf meine Ehre. Ich verspreche, dass nichts diese Ehe verhindern wird. Absolut nichts.«
Aus dem Augenwinkel sah Amberhill, dass Spane sich vor Lord Coutre verbeugte. Der Mann wirkte wie ein Kriecher, der sein Versprechen unbedingt halten würde, besonders wenn ihm eine Belohnung dafür winkte. Wenn sich jemand seinem Ziel in den Weg stellte, würde er dies zweifellos bis an sein Lebensende bereuen.
Amberhill wählte ein Törtchen mit Himbeerfüllung und biss hinein. Er dachte, dass es zwar amüsant war, die Hofintrigen von außen mitzuverfolgen, dass er aber keine Lust hatte, selbst darin verwickelt zu werden. Viel zu mühsam.
Er verließ den Tisch mit der Absicht, den Ballsaal zu durchqueren, aber der Akrobat mit der Spiegelmaske sprang direkt vor ihn. Er grinste seinem verzerrten Spiegelbild zu. »Nur du, alter Freund, was?«
Er schnappte jedoch nach Luft, als sein Spiegelbild im Nebel verschwamm.
»Was zu den fünf Höllen?«
Der Nebel lichtete sich, und der Spiegel zeigte wieder sein Gesicht, aber nicht sein gegenwärtiges. Der Spiegel zeigte ihn ohne Maske und mit wilden, windgepeitschten Haaren, sein Gesicht unrasiert. Fast konnte er das Möwengeschrei hören, das Salz des Meeres riechen und das Schwanken eines Schiffes auf den Wellen spüren.
Nein, dachte er, das ist nicht real. Ich bin im Ballsaal. Doch er konnte sich von der Vision nicht losreißen. Der Maskenball schien kilometerweit entfernt zu sein.
Sein gespiegeltes Gesicht blickte nach oben und ein Schatten
fiel darüber. Amberhill meinte, das Schlagen riesiger Flügel im Wind zu hören. Er wusste nicht, ob er Todesangst oder Ehrfurcht oder beides empfinden sollte. Er spürte die Anspannung seiner Muskeln, die von ihm verlangten, sich in Sicherheit zu bringen.
Der Schatten verschwand, und dann geschah nichts. Amberhill sah wieder sein korrektes, aktuelles Spiegelbild, als hätte der Spiegel ihm nie etwas anderes gezeigt. Er trat einen Schritt zurück, der Akrobat schlug einen Purzelbaum und verschwand.
Habe ich das wirklich gesehen? Oder war es Einbildung?
Irgendwann hatte er den Rest seines Törtchens in seiner Hand zerquetscht, und Himbeergelee sickerte wie Blut zwischen seinen Fingern hervor. Was auch immer er gesehen oder nicht gesehen hatte, es hatte sein seelisches Gleichgewicht erschüttert. Kein Wunder, dass Karigan G’ladheon so verwirrt gewesen war, nachdem sie in die Maske geblickt hatte. Was hatte sie wohl gesehen? Sie, der gewisse Fähigkeiten zur Verfügung standen …
Er betrachtete seinen Drachenring,
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