Pfad der Schatten reiter4
nicht wieder. Ihr blieb nichts anderes übrig als darüber nachzudenken, was im Falle von Zacharias’ Tod im Interesse des Reiches und ihrer Grünen Reiter als Nächstes geschehen musste. Falls er einen Thronerben bestimmt hatte, wäre ein solches Testament als königliches Treuhanddokument in einer geheimen, von Waffen bewachten Schatulle eingeschlossen worden. Hätte Zacharias ein Kind gehabt, hätte der Erbe eindeutig festgestanden, aber er hatte ja noch nicht einmal Lady Estora geheiratet.
Selbst wenn im Treuhanddokument ein Erbe genannt wurde, musste zunächst eine Versammlung sämtlicher Lordstatthalter einberufen werden, bevor man die Schatulle öffnen und den Namen bekannt geben konnte. Sobald sich die Neuigkeiten über Zacharias herumsprachen, würden sich die Lordstatthalter wie Geier auf sie alle stürzen, denn sie waren Reichsprinzen und die nächsten Thronfolger, solange es keine direkten Nachkommen gab. Selbst wenn einer von ihnen rechtlich bindend genannt sein sollte, würden die anderen dies anfechten und erbittert streiten. Sie betete, dass kein Bürgerkrieg ausbrechen würde. Das konnten sie sich nicht leisten, ausgerechnet jetzt, wo das Zweite Reich seine Kräfte sammelte und der D’Yer-Wall durchbrochen war.
Sie konnte sich genau vorstellen, wie sich der Feind die plötzliche Schwächung Sacoridiens und das daraus resultierende Chaos zunutze machen würde. Leider würden sie Zacharias’ Verwundung nicht geheim halten können, denn der Kurvenweg war die belebteste Straße in ganz Sacoridien, und die Neuigkeit von dem schrecklichen Unglück, das dem König widerfahren war, würde sich wie ein Lauffeuer im ganzen Land verbreiten.
Wer hatte diese Pfeile überhaupt abgeschossen? Wie hatte dieser Anschlag gelingen können?
Laren unterdrückte eine aufsteigende Tränenflut. All die schrecklichen Folgen für das Reich, die ihr einfielen, erschienen ihr längst nicht so schlimm wie der Verlust eines Menschen, der ihr so lieb war.
INTRIGEN
Sie trafen auf eine Waffen-Phalanx, die als zornige, schwarze Woge die Straße herunterstürmte und sowohl Meister Destarion als auch einen seiner Gehilfen mit sich führte. Als Destarion den Wagen erreicht hatte, befahl er Donal auszusteigen, damit er und sein Gehilfe Platz zum Arbeiten hatten. Ben lag noch immer ohnmächtig auf dem Wagenboden, und Destarion schüttelte den Kopf.
Er legte sein Ohr auf Zacharias’ Brust und hob die Augenlider des Königs. Er bellte seinem Assistenten Befehle zu, der daraufhin in seiner Notfalltasche wühlte.
»Na los!«, brüllte er Fastion an, und sie fuhren weiter.
In Laren erwachte ein Hoffnungsschimmer. Wenn Destarion es so eilig hatte, dann bedeutete das vielleicht, dass immer noch Leben in Zacharias war?
Als sie die Burg endlich erreichten, war Rotkehlchen erschöpft, aber Larens Reiter standen bereit, um ihn Laren abzunehmen und sich um ihn zu kümmern.
»Der König?«, fragte Connly.
»Ich weiß es nicht.«
Heiler eilten mit Tragbahren aus der Burg. Zacharias wurde fortgetragen, und dann Ben. Über Lord Coutre wurde noch im Wagen eine Decke gebreitet. Lady Coutre und Estoras Schwester stürzten heulend aus der Burg. Laren blieb auf der obersten Stufe der Eingangstreppe stehen und blickte zurück zum Tor. Das restliche Königsgefolge müsste jeden Moment
eintreffen; sie hatte keinen Gedanken daran verschwendet, wie es den anderen erging. War Lady Estora in Sicherheit?
Sie würde es bald wissen, aber im Augenblick konzentrierten sich alle ihre Gedanken auf Zacharias.
Er wurde in seine Gemächer getragen, und sie wartete mit einigen anderen Leuten im Hauptaudienzsaal, während Heiler in sein Schlafgemach und wieder hinaus eilten. Colin und General Harborough standen etwas abseits und steckten die Köpfe zusammen, vertieft in ein intensives Gespräch. Waffen standen ringsum an den Wänden.
Während sie warteten, erhielten sie die Nachricht, dass Lady Estora und die restliche Gruppe unversehrt zurückgekommen waren. Das zumindest war eine gute Neuigkeit. Bald trafen weitere Meldungen ein: Es sei ein Einzelattentäter gewesen, der anscheinend seinem eigenen perversen Plan gefolgt war und sich, nachdem er seine Pfeile auf Zacharias und Lord Coutre abgeschossen hatte, mit einem Gifttrunk das Leben genommen hatte.
»Ein Feigling«, sagte General Harborough, als er das hörte. »Ein Feigling der allerschlimmsten Sorte.« Der Audienzsaal war inzwischen überfüllt mit Leuten, die sich selbst für wichtig genug hielten,
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