Pfad der Schatten reiter4
entsprechenden Wissens das Überleben des Königs.
»Darf ich … darf ich Zacharias sehen?«, fragte Laren.
Destarion nickte. »Aber nur kurz. Er ist nicht bei Bewusstsein, aber ich denke oft, dass die Gegenwart und die Worte von Freunden manchmal das Unterbewusstsein erreichen und ein großer Trost sein können.«
Er führte Laren und Colin durch die Tür in Zacharias’ Zimmer. Sie war bestürzt, wie hell es dort war. Sie hatte Dunkelheit im Raum erwartet, eine düstere Atmosphäre, aber Destarion hatte die schweren Vorhänge zum Balkon offen gelassen, und das Nachmittagslicht fiel sanft ins Zimmer und über die stille Gestalt, die auf dem Bett lag.
Laren trat zum Bett und sank auf den Stuhl, der dort stand und aus dem einer von Destarions Heilern gerade aufgestanden war. Colin blieb mit Destarion am Fußende des Bettes stehen. Eine weitere Waffe hielt in einer dunklen Ecke Wache.
Decken waren bis zu Zacharias’ dick verbundener Brust über ihn gebreitet. Der Duft der frischen Kräuter in der Wundauflage und einer weiteren Kräutermischung, die in einer Schüssel auf dem Nachttisch stand, erfüllte den Raum.
Zacharias’ Gesichtsausdruck war friedlich und unbekümmert, losgelöst von allen Sorgen um sein Leben und sein Königreich, und sie erkannte den kleinen Jungen aus ihrer Erinnerung wieder. Ein kleiner Junge, der mit seinen Hunden spielte oder mit den anderen Kindern in der Burg herumrannte. Sie sah den lernbegierigen Jugendlichen, der viele Stunden in der Bibliothek damit verbrachte, Bücher zu studieren. Auch die Kraft des Mannes, des Kriegerkönigs wurde in seinen Zügen
deutlich. Destarion hatte gesagt, dass er all diese Kraft brauchen würde, um die Schäden zu überleben, die ihm der Pfeil zugefügt hatte – und vielleicht noch mehr.
Sie nahm seine schlaffe Hand in die ihre. Sie war warm. Zu warm? »Ich bin hier, Mondling«, sagte sie und benutzte den Kosenamen, mit dem sie ihn gerufen hatte, als er noch klein war und mit ihr in der Burganlage Fangen gespielt hatte. »Ich bin hier, und Colin auch. Wir kümmern uns um alles.«
Sie redete in diesem Tonfall weiter und bemühte sich, ihre Stimme ruhig und zuversichtlich klingen zu lassen. Mit halbem Ohr hörte sie, dass Destarion und Colin miteinander flüsterten, aber sie ließ sich davon nicht ablenken, nicht einmal, als die beiden hinausgingen.
»Ihr müsst durchhalten«, sagte sie mit festerer Stimme.
Die Augenlider des Königs flatterten und öffneten sich, und sie schnappte überrascht nach Luft.
»Laren.« Ihr Name drang kaum über seine Lippen, als wäre nicht genug Atem in seinem Körper.
»Ja, ich bin hier«, antwortete sie und beugte sich näher zu ihm.
Er schluckte und ruhte sich aus, um genug Energie zum Sprechen zu sammeln. »Ich wollte nicht … ich wollte nicht, dass sie geht.«
»Ich weiß.« Laren brauchte nicht zu fragen, wen er meinte.
»Sagen Sie ihr …« Er brach ab, seine Augen schlossen sich wieder und der Rest blieb unausgesprochen. Er stieß einen tiefen, rasselnden Atemzug aus und wurde wieder ohnmächtig.
Laren drückte seine Hand, denn sie wusste, wie er den Satz hatte beenden wollen. »Ich sage es ihr.« Falls er am Leben blieb, würde sie Karigan nichts sagen. Falls er starb, würde sie Karigan rückhaltlos alles erzählen, denn dann konnten diese Gefühle dem Reich nicht mehr schaden. Und dabei wusste
sie nicht einmal, ob Karigan selbst lebend wieder aus dem Schwarzschleierwald zurückkommen würde.
Laren seufzte. Es war zu viel Tod in ihren Gedanken.
Die Tür öffnete sich, und Lady Estora erschien, noch immer in Reitkleidung, aber mit einer schwarzen Stola um die Schultern, zum Zeichen der Trauer um ihren Vater. Aus dem Vorraum ertönte eine streitsüchtige Stimme, und Estora schloss rasch die Tür, um sie zu dämpfen. Laren stand auf und ging zu ihr, wobei sie feststellte, dass Estora wie betäubt wirkte und noch nicht von Trauer überwältigt war. Sie hatte noch gar nicht verarbeitet, was geschehen war.
»Der Leichnam meines Vaters ist noch nicht einmal abgekühlt, aber mein Vetter verlangt von mir, auf der Stelle zu heiraten«, sagte Lady Estora, »solange mein Zukünftiger noch atmet und König ist.«
Natürlich würde Spane das verlangen. Laren knirschte mit den Zähnen, aber statt ihre Meinung dazu zu sagen, nahm sie die Hand der Frau in die ihre.
»Herrin, es tut mir sehr, sehr leid. Was für ein schrecklicher Tag für Euch.«
»Es war ein so schöner Tag, bis … bis …«
Laren
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