Pfad der Schatten reiter4
der älter war als die meisten anderen neuen Reiter. »Geh zu Meister Destarion. Sag ihm, er soll seine Notfalltasche nehmen und so schnell wie möglich zum Kurvenweg kommen.« Ohne ein weiteres Wort wendete Carson sein Pferd und ritt auf das Tor zu. Inzwischen hatten andere Reiter es geöffnet, sodass er es nicht überspringen musste.
Als Nächstes wählte sie Kayd, einen Jungen, dessen Vater einer der Arbeiter war, die die Burg und ihre Anlagen instand hielten und deshalb innerhalb der Burg und ihrer Gesindestruktur genau Bescheid wusste. »Du wirst Colin Dovekey finden und ihm sagen, dass ein Notfall eingetreten ist. Er ist stellvertretender
Kastellan und müsste um diese Zeit in einer Besprechung mit dem Küchengesinde sein.«
Kayd nickte, und die Hufe seines Pferdes donnerten wie die der anderen aus der Arena.
Laren wandte sich an Riggs. »Kümmerst du dich um die anderen?«
Riggs klatschte in die Hände, um die anderen auf sich aufmerksam zu machen, und begann Befehle zu brüllen.
Nun blieb nur noch Ben übrig, der anscheinend keine Ahnung hatte, was er tun sollte. »Du kommst mit mir«, sagte Laren. »Rotkehlchen! Komm!«
Das Pferd gehorchte sofort und trottete direkt neben sie.
Ben wich zurück, aber Laren packte ihn am Ärmel. »Dem König ist irgendetwas Schreckliches zugestoßen«, sagte sie. »Offenbar ist Sophina eine Seherin. Sie hat gesehen, dass dem König etwas passiert ist. Wir dürfen keine Zeit verlieren.« Sie schob ihre Stiefelspitze in den Steigbügel und stieg auf. »Jetzt steig hinter mir auf.«
Als Ben zögerte, beugte sie sich hinunter und sah ihn eindringlich an. »Sophina ist ohnmächtig geworden, bevor sie uns genau sagen konnte, was sie gesehen hat, aber sie hat auf die Vision so extrem reagiert, dass es nichts Gutes sein kann. Verstehst du? Dem König ist ein Unheil widerfahren, und falls er noch nicht tot ist, stirbt er wahrscheinlich bald, wenn du ihm nicht hilfst. Verstanden?«
Ben wurde bleich. Er nickte.
»Dann steig auf .«
Diesmal zögerte er nicht, und sie zog ihn hinter sich. Er schlang die Arme um ihre Taille und klammerte sich an ihr fest, als hinge sein Leben davon ab.
»Nicht so fest«, keuchte sie. Er gehorchte und sie schnalzte Rotkehlchen zu, der aus der Arena galoppierte und die Burganlagen durchquerte.
Sie ritt in einem Fünf-Höllen-Tempo den Kurvenweg hinunter, benützte Abkürzungen, die alle Reiter kannten, und stürmte durch die Vorgärten, wobei sie Rotkehlchen unbarmherzig antrieb, obwohl er zwei Erwachsene trug; aber er war für alles zu haben und stürmte furchtlos weiter, ohne seinen Schritt zu verlangsamen. Ein wahres Botenpferd. Sie war sicher, Sperling würde ihr verzeihen, dass sie in der Not das nächstbeste Pferd genommen hatte, das zur Verfügung stand.
Während sie an einer Wagenladung voller blökender Schafe vorbeigaloppierten, malte sie sich alles Mögliche aus – vielleicht war Zacharias tot, oder er war nur von seinem ungestümen Hengst gestürzt und hatte sich den Kopf verletzt. Vielleicht hatte Sophina auch etwas gesehen, das sich noch gar nicht ereignet hatte, und Laren würde noch rechtzeitig eintreffen, um es zu verhindern. Aber irgendwie spürte sie, dass dies nicht der Fall war.
Sie durfte sich nicht ihren Befürchtungen überlassen. Sie musste bei klarem Verstand bleiben, denn falls Zacharias das Schlimmste zugestoßen war, würde dies im gesamten Reich Konsequenzen haben. Sie liebte Zacharias, den kleinen Jungen, der er gewesen war, und den Mann, zu dem er geworden war, aber die Folgen für das Land wogen noch schwerer als selbst sein Leben.
Der Ritt dauerte ewig, Fußgänger kreischten und rannten ihr aus dem Weg, ließen Zwiebelsäcke vor Rotkehlchens Hufe fallen und zerrten Kinder aus der Gefahrenzone. Zacharias’ Gruppe konnte das Stadtgebiet doch wohl noch nicht verlassen haben, oder? Sie versuchte auszurechnen, wie viel Zeit vergangen war, aber in ihrem Kopf jagten sich so viele Gedanken, dass sie keinen zu Ende denken konnte.
Rotkehlchen schlidderte um eine Kurve, wo der Boden durch das schmelzende Eis glatt war, und wäre fast ausgerutscht. Laren war wie betäubt vor Sorge und spürte gar nicht
mehr, dass Ben sie umklammerte, aber sie hörte ihn wimmern und beten.
Bete für Zacharias, dachte sie. Bete für Zacharias.
Als sie sich dem zweiten Stadttor näherten, hasteten noch mehr Fußgänger und Reiter zum Straßenrand, aber nicht etwa, um Laren den Weg frei zu machen, sondern auf der Flucht vor etwas, das
Weitere Kostenlose Bücher