Pfad der Schatten reiter4
sagte Lord Adolind, »aber er ist noch immer nicht erschienen. Wie schwer war eigentlich dieser Reitunfall?«
»Ja«, fiel Lord D’Ivary ein. »Das Ganze riecht verdächtig nach einer Hochzeit auf dem Sterbebett. Was verschweigen Sie uns?«
Colins Gesicht rötete sich. »Ihr wagt es, die Königin mit solchen Spekulationen zu beleidigen?«
»Ist sie denn wirklich die Königin?«, fragte Penburn sehr leise.
Estora erhob sich. »Genug.«
Die fünf Männer und ihre Adjutanten verstummten augenblicklich und reckten die Hälse, um sie anzustarren.
»Colin hat Euch die Situation klar dargelegt«, sagte sie. »Der König berät dringende Staatsgeschäfte mit seinen militärischen Beratern.« Das stimmte sogar zum Teil. Während der letzten beiden Tage hatten die meisten seiner Armeekommandanten ihm aktuelle Berichte gesandt. »Er wird vor Euch erscheinen, sobald er dazu bereit ist.« Sie hoffte, dass dies bald sein würde. Es ging ihm täglich besser. Dennoch hatten sie das Gespräch nicht fortsetzen können, das sie begonnen hatten,
nachdem Richmont von Beryl abgeführt worden war. Entweder schlief Zacharias, oder er war damit beschäftigt, sich über die letzten Entwicklungen im Reich zu informieren, und er war ständig von anderen Leuten umgeben. Sie schlief allein in ihrem Gemach.
»Gewiss, aber ich möchte den König sehen und all dies aus seinem eigenen Mund hören«, sagte der beharrliche Lord Penburn, in dessen Augen es heimtückisch glitzerte. »Und ich wüsste außerdem gern, wo Hauptmann Mebstone ist. Es hat ihretwegen höchst seltsame Gerüchte gegeben.«
Estora konnte sich das lebhaft vorstellen. Sie wusste, dass Lord Penburn sich besonders für Hauptmann Mebstone interessierte, weil sie aus der Provinz Penburn stammte, und da sie dem König so nahe stand, galt sie dem Lordstatthalter als hochrangige Persönlichkeit aus seinen eigenen Reihen, die über großen Einfluss beim König verfügte. Estora hatte bereits vorgeschlagen, ihren Hausarrest aufzuheben. Colin und Harborough hatten Einwände dagegen erhoben, denn sie wollten nichts überstürzen – wahrscheinlich, um ihre eigenen Positionen zu festigen, damit sie dem eventuellen Zorn des Königs standhalten konnten.
Zacharias hatte ebenfalls nach Hauptmann Mebstone gefragt und war vertröstet worden; sie hatten ihm gesagt, dass sie krank sei, sich aber schnell erholte. Estora glaubte nicht, dass sie ihre Lage verbesserten, indem sie dieses Gaukelspiel weiterhin aufrechterhielten und Zacharias anlogen. Sie hatte jedoch entschieden, dass es ihre eigene Angelegenheit war, wenn sie sich ruinieren wollten, und Mebstones Freilassung befohlen, aber offenbar hatte irgendjemand diesen Befehl zurückgehalten. Dies gehörte zu den Dingen, die sie bereinigen wollte, sobald sie hier fertig war.
»Hauptmann Mebstone ist…«, begann Colin, aber er konnte den Satz nicht beenden. Die Seitentür des Thronsaals
öffnete sich mit leichtem Quietschen, und herein traten zwei Waffen, Meister Destarion, Zacharias’ Sekretär Cummings und, zu Estoras großer Überraschung, Zacharias selbst.
Die Lordstatthalter fielen augenblicklich auf die Knie und neigten die Köpfe. Zacharias schenkte ihnen keine Beachtung. Er war in einfaches Schwarz gekleidet und ging auf das Podium zu, seine Schritte waren langsam und sein Gesicht bleich, aber er war es dennoch. Er schritt die Stufen hinauf. Estora sah, welche Anstrengung ihn dies kostete und wie erschöpft er war, aber er schaffte es dennoch ohne Hilfe. Als er oben angelangt war, warf er ihr einen langen, undurchdringlichen Blick zu, dann setzten sie sich beide.
»Wie Rat Dovekey Euch soeben mitteilen wollte«, sagte Zacharias mit starker, selbstsicherer Stimme, »befindet sich Hauptmann Mebstone im Lazarettflügel.«
Colin wurde blass, und Estora warf Zacharias einen Seitenblick zu. Seine Mundwinkel waren leicht nach oben gebogen und seine Augenbrauen etwas hochgezogen.
Lord Penburn schien bestürzt zu sein. »Geht es ihr gut, Eure Hoheit?«
»Man hat mir versichert, dass es ihr sehr gut geht.«
Die Lordstatthalter sahen einander an. Vorhin hatten sie sich nicht gescheut, ihre Fragen zu stellen, aber nun schienen sie um Worte verlegen.
»Es ist erfreulich, Euch zu sehen, Eure Majestät«, sagte Lord L’Petrie schließlich. »Wir haben uns Sorgen um Euer Wohlergehen gemacht. Es kursierten alle möglichen Gerüchte, und dann kam die Hochzeit.«
»Ihr seht mich nun leibhaftig vor Euch«, sagte Zacharias, »und ich bin
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