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Pfad der Schatten reiter4

Pfad der Schatten reiter4

Titel: Pfad der Schatten reiter4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: britain
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Womöglich würde sie mit einem ganzen Weinfass beschenkt werden. Sie lächelte.
    Etwas Weißes, das in den Wellen wogte, zog ihren Blick an: ein Segel, das sich verfangen hatte. Es hatte sich um einen Mann gewickelt. Die Götter waren heute wirklich großzügig  – falls er noch lebte. Sie beschleunigte ihre Schritte und ging auf ihn zu. Er lag halb auf dem Strand, sein Kopf ruhte auf seinem ausgestreckten Arm, und von seinem Handgelenk baumelte Seetang. Die Sonne blitzte auf rabenschwarzem Haar, das wirr in ein gut geschnittenes Gesicht hing. Viel attraktiver als die Matrosen, die sie normalerweise erhielt.
    Er atmete noch. Eine Welle bildete einen kleinen Wirbel und bewegte seine Hand. Das Rot eines Rubins an seinem Finger blitzte ihr in die Augen. Sie kniete sich neben ihn und nahm seine Hand, um den Ring näher zu betrachten. Sie kannte ihn, sie hatte den Ring schon früher gekannt, und auch die Hand, die ihn getragen und sie so sanft und liebevoll gestreichelt hatte, vor so langer Zeit. Sie strich dem Mann das Haar aus den Augen.
    »Bist du es?«, fragte Yolandhe, die Seehexe aus den Legenden. »Bist du zu mir zurückgekehrt, mein Liebster?«

RÜCKZUG UND ENTSCHLUSS
    Irgendetwas war schrecklich schiefgegangen. Großmutter hatte es, während sie die Nacht im Hain verbrachten, kurz nach Mitternacht gespürt, so wie man das Brechen eines Knochens spürt. Sie hatte im Schlaf ein entsetzliches Klagen gehört, wie von einem gewaltigen Tier, das schrecklich verwundet wurde, und als sie aufwachte, stellte sie fest, dass die Äste der Bäume über ihr bebten und der ganze Wald nervös geworden war. Gott hatte gesagt, dass er ihre sichere Rückkehr nach Hause gewährleisten würde, aber als sie hastig packten und machten, dass sie aus dem Hain herauskamen, war der Wald so feindselig wie eh und je, unsichtbare Augen starrten sie feindselig an, namenlose Wesen gierten nach ihrem Blut, und nun hatten sie nicht einmal mehr die Erdriesen bei sich, die sie geschützt hatten.
    Großmutter hatte einen Salamanderkompass erschaffen müssen, der ihnen half, ihren Weg durch die gewundenen Straßen von Argenthyne zu finden, bis sie endlich die Hauptstraße wiederfanden, die sich um den See wand. Selbst der See war in Aufruhr; seine Oberfläche war aufgewühlt, und Wellen klatschten ans Ufer. Als sie zu den Schlosstürmen zurückblickte, waren sie schwärzer geworden, als wären sie verfault, als würden sie sterben, und dann wurden sie von nassen Wolken verschlungen. Bittere Regentropfen begannen auf ihr Gesicht niederzuprasseln.
    Da sie nun zwei ihrer Männer eingebüßt hatten – oder sogar
drei, wenn sie Regin mitzählte, den sie ganz am Anfang ihrer Reise verloren hatten –, war es ungeheuer schwierig, im Regen ihr Lager aufzuschlagen, denn sie hatten es noch nie allein gemacht. Mit ein bisschen Unterstützung durch Großmutters Kunst schaffte Cole es, ein Feuer anzuzünden.
    Obwohl Lala nun eine Stimme besaß, sagte sie nur wenig. Ab und zu sang sie einzelne Fetzen eines Liedes.
    »Mama«, sagte das Mädchen und schmiegte sich am Feuer an Großmutter.
    Großmutters Sorgen und Schmerzen und die Kälte in ihren Knochen zerschmolzen zu nichts, als Lala sie so nannte, und sie schlang ihren Arm um das kleine Mädchen.
    »Bald werde ich dir Lieder beibringen«, sagte Großmutter.
    »Ich glaube, ich kenne schon ein paar«, antwortete Lala. »Sie sind zusammen mit meiner Stimme gekommen.« Und sie sang den Refrain eines lächerlichen Trinkliedes.
    »Nein, nein«, sagte Großmutter, so sanft sie konnte. »Ich muss dich die Lieder aus Arcosien lehren, die uns überliefert wurden, und auch andere Lieder, die dir bei der Kunst helfen werden.«
    »Ach so.«
    Heute Abend war Großmutter zu müde zum Unterrichten, deshalb saßen sie eine Weile schweigend da, während der Regen in ihrem Lagerfeuer zischte und dampfte. Offenbar würde ihre Heimreise keineswegs einfacher sein als der Herweg, insbesondere da Gott anscheinend sein Versprechen, sie zu schützen, nicht einzuhalten gedachte. Großmutter seufzte, sie freute sich absolut nicht auf die gefährliche Wanderung. Dann fiel ihr ein, dass sie nachsehen konnte, was Birch machte, und ihre Stimmung hellte sich auf. Sie hatte längst sehen wollen, wie es mit seiner Kampagne stand, und vielleicht würde Gott zu ihr kommen, und sie konnte ihn um Schutz anflehen.

    Also verknotete sie einen Teil ihres kostbaren, rasch dahinschwindenden Garns, knüpfte einen von Birchs Fingernägeln hinein und

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