Pfad der Seelen
mageren Frühstück half ich Cecilia beim Aufsteigen, und wir machten uns ins Landesinnere auf, reisten auf einem Weg, der mit Unkraut überwachsen war, zum nächsten Bauerndorf, in das uns die Wirtin den Weg gewiesen hatte, einige Meilen im Nordwesten. Das Dorf hieß Ablington. Sie richteten ein Fest aus.
» Roger, du hörst mir gar nicht zu!«
Ich hörte ihr nicht zu. Aber ich dachte über sie nach, und auch über Kauz. Ich hatte geglaubt, dass die Wirtin gelogen hatte, aber ihre Geschichte ließ sich nicht aus meinen Gedanken vertreiben. Ich hatte mit Cecilia am Tag, nachdem ich Kauz zurückgebracht hatte, den Pfad der Seelen betreten. War das von Bedeutung? Was war mit Kauz geschehen?
» Du hörst mir nicht zu!«
» Es tut mir leid, meine Lady.«
Ich stapfte weiter auf das Frühlingsfest zu. Dort würde ich Cecilia in einen kühlen Hain oder auf eine Bank an irgendeinem Dorfanger setzen, während ich versuchen würde, etwas zu tun, dem ich vor langer Zeit abgeschworen hatte. Das zu sein, wozu Hartah mich gemacht hatte: ein Lügner und Betrüger in zwei Ländern, hier und drüben. Aber Cecilia kam niemals in Ablington an. Wir kamen niemals irgendwo an.
Es geschah am nächsten Tag in der Abenddämmerung, neben einem Lagerfeuer, über dem ich den letzten Rest unseres Brotes röstete, und mir stattdessen eines von Jees Kaninchen wünschte. Cecilia saß da und kämmte sich das Haar mit dem emaillierten Kamm, den ich ihr gekauft hatte. Das Haar kräuselte sich und glänzte im Licht des Feuers, glitzerte in hundert Schattierungen von Honig, Zimt, Gold, Bronze, Bernstein, Kupfer, Haselnuss. Die Dämmerung ließ ihre grünen Augen intensiver leuchten, bis sie die Farbe von Smaragden hatten.
» Weshalb siehst du mich so an?« Ein winziges, halbes Lächeln spielte um ihre Mundwinkel.
» Weil du das Hübscheste bist, was ich je gesehen habe, Cecilia.«
» Du solltest mich › meine Lady‹ nennen. Sei nicht so vertraut mit mir, Roger!«
Sie neckte mich nicht. Das Licht des Feuers flackerte auf dem emaillierten Kamm, den ich mir eigentlich nicht hatte leisten können, auf dem Brot, von dem ich ihr mehr als die Hälfte überließ, obwohl mein Magen vor Hunger knurrte, auf meinem pelzbesetzten Umhang, auf dem sie saß. Da kam in mir ein Zorn auf, von dem ich nicht gewusst hatte, dass ich ihn ausbrütete, von dem ich nicht einmal gewusst hatte, dass ich ihn empfinden konnte. Nicht auf sie.
Ich sagte mit leiser und bedächtiger Stimme: » Vielleicht rechtfertigen die Umstände meine Vertrautheit.«
» Nein«, sagte sie mit lieblicher Sicherheit. » Nein, das kann nicht sein, Roger. Das weißt du. Ich bin eine Lady, und du bist der Narr der Königin.«
» Hier draußen gibt es keine Königin und keinen Narren.« Und du bist nur meinetwegen lebendig. Lebendig gemacht, lebendig gehalten.
» Es gibt sie dennoch.« Sie wandte sich mir zu und schüttelte spielerisch den Kopf, und ihr schönes Haar schimmerte und tanzte.
» Aber Dinge können sich ändern.«
» Weshalb sollten sie? Außerdem ändert sich das nie.«
» Warum nicht? Warum sollen sich Unterschiede des Standes niemals ändern, wenn sich alles sonst im Königinnenreich geändert hat, in der Welt? Warum bleibt diese eine Sache immer gleich?«
» Es ist einfach so.« Sie lächelte mich an. Das Lächeln einer Lady für einen Narren. Sie kämmte weiter ihr Haar.
Ich sagte: » Nein.«
» Nein … was?«
» Nein, Cecilia.«
Ihr Lächeln verflüchtigte sich. Sie sagte kalt: » Du bist unverschämt, Roger. Entschuldige dich sofort.«
Ich sprang auf. Weshalb? Ich hatte keine Ahnung. Aber ich stand da und blickte im Feuerlicht auf sie hinab: Auf Cecilia, schön und schmutzig, ein Ärgernis und ein Objekt der Begierde, bezaubernd und dumm. Ich sagte: » Ich werde mich nicht entschuldigen.«
Ihr Gesicht fing an, sich aufzulösen. Einen ganz kurzen Augenblick glaubte ich, dass meine Worte daran schuld waren, dachte, dass ihre Züge sich nur vor Wut verzerrten. Doch keineswegs.
» Cecilia!«
Die Haut auf ihrem Gesicht wurde weich, noch während sie den Mund zu einem stummen Schrei öffnete. Ihre Nase, ihr Mund, ihre Wangen wurden schwarz – verrottet. Ihr Körper sank zur Seite und fiel in sich zusammen, die Knochen zerbröselten. Ein fürchterlicher Gestank stieg in die Nachtluft auf. Ihre Augen schmolzen, während sie mich anstarrten – und dann, einfach so, blieb nichts zurück bis auf ein Stapel Kleider.
» Cecilia! Meine Lady!« Ich ließ mich zu Boden
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