Pfad der Seelen
brannten, verabscheuten es, in meinem Kopf zu hausen. Meine Hände, die verbrannte und die nicht verbrannte, ballten sich zu Fäusten, die es danach verlangte, meinen Körper bewusstlos zu schlagen. Ich konnte mich nicht mehr zusammenhalten, konnte nicht mit mir leben, konnte keinen weiteren Augenblick dieses Schreckens mehr ertragen …
Aber der Augenblick kam.
Dann noch ein Augenblick.
Und noch einer …
» Roger!«
Und noch einer …
» Roger! Hör auf!«
Und noch einer. Ich griff meinen Feind an, der ich selbst war. Ich schlug nach ihm, ging mit tödlicher Zielsicherheit auf ihn los …
Ein Schlag auf meine verbrannte Hand ließ mich vor Schmerz aufheulen. Meine andere Hand ließ das Messer fallen. Es wurde aus der Asche des Feuers gerissen. Ein Geruch, noch ein Schlag, dann eine Stimme, jung und hoch und ängstlich …
» Roger! Aufhören! Was tust du?« Jee. Seine dürre Gestalt zeichnete sich in einiger Entfernung in der abendlichen Düsternis ab. War es schon wieder Abend geworden? Als ich mich nicht mehr bewegte, kroch er näher heran.
» Was tust du da? Hör damit auf!«
» Jee …«
» Ja. Ich habe dich aus einer Meile Entfernung schon gehört.«
» Jee.«
» Ja! Deine Hand …«
Mit einem Mal schien meine Hand in Flammen zu stehen. Der Schmerz war unerträglich, und ich glaube, dass es der Schmerz war, der mich wieder zurück zu mir selbst brachte. Es gab keinen Platz für etwas anderes als den glühenden Schmerz, und für das, was Jee als Nächstes sagte.
Er hockte sich neben mich, starrte mir ins Gesicht, und seines war genauso gequält wie meines. Ich hatte zuvor nicht gewusst, dass die Qualen eines anderen die eigenen zur Seite schieben können. Jee erlebte diese Art von Qualen. Wäre das nicht der Fall gewesen, bezweifle ich, dass er überhaupt zu mir durchgedrungen wäre.
» Es geht um Maggie«, sagte er. » Soldaten haben sie.«
» Haben sie? Was für Soldaten? Wo haben sie sie hingebracht?«
» Grobe, große Soldaten«, sagte das Kind und fing an zu weinen. » Mit grünen Kleidern und Federn. Sie haben sie.«
Die Soldaten der Königin.
» Sie suchen nach dir«, wimmerte Jee. » Sie haben Maggie nach dir gefragt. Sie haben sie zur Hurenkönigin gebracht!«
Nach mir. Maggie war gefangen worden, weil die Königin nach Roger Kilbourne suchte, oder vielleicht war es auch Lord Solek, aber ich nahm an, dass es Ihre Gnaden war. Die verzweifelte Königin Caroline hatte herausgefunden, dass ich die Hauptstadt mit Maggie verlassen hatte, und die Königin brauchte mich dort, um mich für ihr wie auch immer geartetes Ringen um Macht zu benutzen. Und sobald die Königin entschied, dass sie etwas brauchte, hielt sie nichts davon ab, es zu bekommen. Wenn Maggie der Königin nicht sagte, wo sie mich zuletzt gesehen hatte, würde Königin Caroline es aus ihr herausfoltern. Und selbst wenn Maggie es verriet, konnte man sie trotzdem foltern, weil sie ja sonst noch etwas wissen könnte.
Maggie würde jenen Instrumenten der Pein ausgesetzt, von deren Existenz ich nur immer gehört, die ich mir aber nie vorzustellen gewagt hatte. Jetzt stellte ich sie mir vor. Die Streckbank, die Nägel, die glühend roten Zangen …
Langsam setzte ich mich hin. Maggie, die mir immer eine bessere Freundin gewesen war, als ich es verdient hatte. Ich würde nicht noch jemanden enttäuschen. » Hör auf zu weinen«, befahl ich Jee, gröber, als man mit einem trauernden Kind sprechen sollte. » Hör jetzt sofort auf. Wir müssen Maggie folgen.«
Das Kind, das in den Unbeanspruchten Landen mit einem brutalen Vater aufgewachsen war, hörte sofort auf zu weinen. Seine Augen wurden groß in seinem tränenüberzogenen Gesicht. » M…Maggie folgen? Wir zwei?«
» Ja«, antwortete ich grimmig. » Wir zwei.« Alles, was in den letzten Monaten geschehen war, schob sich durch meine Gedanken und nahm andere Formen an. Wie Steine, die man unter Wasser sah, die sich im wechselnden Licht veränderten.
» W…wie?«
» Überlass das mir.«
Jee wäre nicht Jee gewesen, wenn er das getan hätte. » Hast du einen Plan?«
» Ja«, sagte ich und war überrascht festzustellen, dass ich sehr wohl einen Plan hatte. Und ich war bereit, zwei Reiche zu stürzen, um ihn durchzuführen.
Ich wusch mich und verband mir die Hand. Jee hatte etwas zu essen mitgebracht, und wir aßen es, um zu Kräften zu kommen. Wir reisten bei Nacht, beide auf Cecilias Esel, da Jees leichter Körper beinahe kein Gewicht zu dem hinzufügte, das das Tier zu
Weitere Kostenlose Bücher