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Pfad der Seelen

Pfad der Seelen

Titel: Pfad der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kendall
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Lager zu errichten. Sie nahmen den anderen Überlebenden der Frances Ormund mit sich. Erleichtert sah ich den Soldaten hinterher. Diese neuen Männer waren bewaffnet und gestiefelt wie die anderen, aber sie hatten keinen Grund, mich zu verabscheuen. Nicht, wenn die Witwe Conyers ihnen diesen Grund nicht lieferte.
    Sollte ich mich jetzt vom Acker machen, in die aufziehende Nacht verschwinden? Und wohin gehen, was essen, wovon leben? Hier bekam ich gut zu essen, zum ersten Mal seit einer langen Zeit. Mein Kopf tat noch weh, weil ich mich gegen den Tisch in der Hütte geworfen hatte, aber ich trug einen sauberen Verband über der Wunde. Ich erinnerte mich allzu gut an Hartahs Geschichten über Straßenräuber und Diebe, über einsame Reisende, die aufgeschlitzt zum Sterben liegen gelassen wurden.
    Daher blieb ich in einer dunklen Ecke des Hofes, an einer Stelle, an der die Holzwand des Gasthauses auf eine hohe Mauer aus Feldsteinen traf, und beobachtete den Tumult. Männer trugen Kisten von der Frances Ormund in den Stall. Ich zweifelte nicht daran, dass sie heute Nacht gut bewacht sein würden. Die Leichen blieben in den Wagen, die hinter das Gasthaus gezogen wurden. Unter den Neuankömmlingen stieg eine Frau ab, die genauso scharf wie die Männer geritten war. Sie trug eine Kleidertasche in denselben Eingang, durch den man die Witwe Conyers geführt hatte. Alle Pferde bebten, weil man sie derart geschunden hatte, und waren von Schweiß durchnässt. Man tränkte sie, rieb sie trocken, gab ihnen zu fressen und brachte sie in den Ställen, oder, als kein Platz mehr war, auf einer Koppel unter. Die Brunnenwinde quietschte ununterbrochen, als Eimer um Eimer heraufgezogen wurde. Bedienstete aus dem Gasthaus liefen herum und riefen sich gegenseitig etwas zu. Niemand nahm von mir Notiz.
    Schließlich trieben in der feuchten Luft wohlriechende Küchendüfte heran. Inzwischen war es ganz dunkel. Ich machte mich zur Küche auf, stellte mich hinter einen Tisch und beugte die Knie, um kleiner zu wirken.
    » Was willst du?«, knurrte mich eine gereizte Dienerin an.
    » Ich bin der Page der Witwe Conyers«, sagte ich mit so viel Würde, wie ich aufbringen konnte. Sicher sahen meine Kleider nicht schlimmer aus als die der Witwe: Genauso zerrissen, genauso von getrocknetem Salz bedeckt.
    Sofort änderte sich der Gesichtsausdruck der Frau. » Oh, das tut mir leid, mein Herr, ich wusste nicht … Wollt Ihr nicht in die Schankstube kommen? Matty wird Euch etwas bringen – Matty!« Ein Brüllen ertönte, unter dem Felsen hätten erbeben können.
    » Ich bevorzuge es, hier zu essen«, sagte ich vornehm, » nicht bei den Soldaten.«
    » Ja, natürlich, ganz wie Ihr wollt, Herr.« Sie knickste vor mir und huschte fort, um einen kleinen Tisch am Feuer aufzustellen. Darauf richtete sie ein Mahl an, wie ich es seit … Nein. So ein Mahl hatte ich noch nie zuvor gesehen.
    Dicke Suppe, in der kleine, knusprige Fleischbällchen schwammen. Warmes Brot mit frischer Butter. Goldenes Bier. Und ein Apfelkuchen, die Kruste dick und knusprig, die Äpfel mit Honig und Gewürzen gesüßt. Ich aß alles auf. Als ich fertig war, fühlte sich mein Bauch voll an, und mein Blut floss rasch durch die Adern.
    » Mein Herr«, sagte die Kellnerin ängstlich, » wenn Ihr fertig seid, würdet Ihr vielleicht Eurer Herrin das Essen hinaufbringen? Es ist endlich zubereitet. Matty wird Euch leuchten.« Ein weiterer Knicks folgte.
    Ich nahm das schwere Tablett und sah, dass mein eigenes Abendmahl, das ich für so köstlich gehalten hatte, ein Klacks gegen das der Witwe Conyers war. Gebratene Gans, die Haut knusprig und so stark duftend, dass ich die Johannisbeermarmelade, den Rotwein und die Dutzend anderen Gerichte kaum wahrnehmen konnte. Für manche davon kannte ich nicht einmal den Namen. Es spielte keine Rolle; ich hatte meinen Anteil bekommen.
    Ich folgte Matty, der in den dunklen Gängen und über die Stufen hinauf eine Laterne für mich hochhielt. An einer schweren Tür, vor der ein Mann in Rüstung saß, der nicht lächelte, klopfte Matty. Die Dienerin, die ich mit Conyers ’ Männern hatte reiten sehen, öffnete die Tür von innen.
    Die Witwe Conyers saß in einem Sessel aus geschnitztem Eichenholz neben dem Feuer. Sie trug trockene Gewänder – ein einfaches Kleid von stumpfem Schwarz und eine schwarze Haube: Trauerkleider. Sie hatte geweint, aber nun sah ihr Gesicht angespannt und grimmig aus. Als sie sah, wer das Essen trug, rief sie: » Du!«
    » Die

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