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Pfad der Seelen

Pfad der Seelen

Titel: Pfad der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kendall
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nicht finden. Ich … Es ist ein so großer Ort! Ich hatte nicht genug Zeit!«
    Sie stand mit dem Rücken zum Feuer und blickte mich mit harten Augen an. Auf der anderen Seite der Tür rief Lord Robert drängend: » Euer Gnaden!« Ich kippte beinahe um vor Angst. Von einer Klinge aufgespießt zu werden, lebendig verbrannt zu werden oder … Ich wusste, dass es sogar noch schlimmere Arten zu sterben gab. Und ich hatte sie enttäuscht.
    Sie sagte sanft: » Bist du wirklich hingegangen? Ins Land der Toten?«
    » Ja!« Ich stocherte in meinen Gedanken nach etwas, um sie zu überzeugen. » Ich habe die alte Königin gesehen!«
    Rasch kam sie durch das Zimmer und packte mich am Arm. » Was hat sie gesagt?«
    » Ich … nichts, das …«
    » Lüg mich nicht an, Roger! Was hat die alte Vettel gesagt?«
    Mein Leben hing von meinen nächsten Worten ab. Nur Ehrlichkeit würde sie überzeugen – sie war so gut darin, Ausflüchte zu erkennen. Würde es mir sogar als Verrat ausgelegt werden, wenn ich nur andeutete, dass sie einen Mord begangen hatte? Ich war erledigt, wenn ich die Wahrheit sagte, und erledigt, wenn ich sie nicht sagte. Verzweifelt würgte ich hervor: » Sie … sie sagte, Ihr … habt sie vergiftet. Dass sie es in ihrem Inneren gespürt und sich an den Bauch gefasst hat und gestorben ist. Sie hat Euch verflucht.«
    Die Königin lachte, ein hohes, hysterisches Klingeln, das mich erschreckenderweise an Lady Cecilia erinnerte. Aber dies war keine Cecilia. In einem Sekundenbruchteil hatte sie sich wieder unter Kontrolle und einen weiteren ihrer blitzartigen Stimmungswechsel vollzogen.
    » Du bist dort gewesen. Es tut mir leid, dass ich daran gezweifelt habe. Dies sind genau die Lügen, die meine Mutter verbreiten würde, das alte Biest. Jetzt schau nicht so entsetzt drein, Roger, niemand wird dir etwas tun. Du hast dein Bestes gegeben, das weiß ich, und in Zukunft wird es mehr für dich zu tun geben, und du wirst Erfolg haben. Komm schon, kleiner Narr, alles ist gut. Komm mit, und ich werde dir gestatten zuzusehen, wie ich meinen Palast zurückerobere.« Sie strich mir rasch über den Arm und lächelte mich an. Dann öffnete sie die Tür für Lord Robert und vergaß mich. Und daher folgte ich der jungen Königin, die nun die einzige Königin war, und ging mit ihr in den Teil des Palastes, in dem sie nun über die Lebenden herrschen würde.
    Der Palast war gesichert worden. Es schien mehr Grüne zu geben, als die Königin zuvor befehligt hatte, und dies gab mir ein Rätsel auf, bis ich ihre Hemden genauer betrachtete. Einige sahen sehr neu aus, andere schienen nur schlecht zu passen. Diese Soldaten mussten ehemalige Blaue sein, die entweder im Geheimen vor Königin Eleanors Tod angeworben oder ansonsten erst diesen Nachmittag abtrünnig geworden waren.
    Zum ersten Mal sah ich den Thronsaal des Palastes. Er war nicht aufwendiger als Königin Carolines frühere Audienzkammer und genauso karg. Jedoch war er so viel größer, dass ich mich fragte, wie der Palast ihn umschließen konnte. Dies war also der Grund, weshalb die Stadt außerhalb der Palastmauern zu einem schmalen Ring aus engen Gassen und kurzlebigen Zelten zusammengedrängt war: Diese riesige Ausdehnung aus polierten Steinböden, Gewölbedecken, die zwei Stockwerke über uns lagen, und Wänden, an denen so viele Leuchter hingen, dass der fensterlose Raum voller Licht erschien. Trotz des Wetterumschwungs war der Raum kalt; keine Feuerstellen konnten die Kälte aus einem so großen Raum vertreiben. Die einzige Möblierung bestand aus einem Podium an einem Ende, auf dem ein geschnitzter Thron stand. Die Königin, die einen weißen Pelzumhang über ihr Kleid aus juwelenbesetztem grünen Samt gelegt hatte, saß auf dem Thron und empfing ihre neuen Untertanen.
    Die Hofdamen von Königin Caroline beobachteten alles mit aufgerissenen Augen und blass von der linken Seite des Thrones aus, ihre Höflinge von der rechten. Einer nach dem anderen traten die Ratgeber der alten Königin in diesem riesigen, leeren Raum vor sie, knieten sich nieder und entledigten sich ihrer blauen Gewänder. Jeder sagte: » Ich schwöre Königin Caroline die Treue, ihr allein, bis zum Tode.« Dann reichte man jedem der vor Kälte zitternden Männer ein neues grünes Gewand, das er über sein Unterhemd ziehen konnte. Es gab nicht sehr viele Ratgeber. Diejenigen, die den Eid abgelehnt hatten, mussten gefangen genommen worden sein. Bis morgen würden sie, wie ich annahm, tot sein.
    Auf eine

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