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Pfad der Seelen

Pfad der Seelen

Titel: Pfad der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kendall
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verzerrte allerdings das Gesicht der liederlichen Lady Jane. Sie stellte ein kleines, durchtriebenes Lächeln zur Schau, während sie ein Stuhlkissen bestickte – oder zumindest war es als Stuhlkissen gedacht. Wie Cecilia war auch Lady Jane keine Frau der Nadel.
    » Narr«, sagte Lady Sarah zu mir, » lass uns die Neuigkeiten wissen!«
    » Es ist Abend«, sagte ich in meiner Rolle als Narr.
    » Das weiß ich, du Tor!«
    » Wenn Ihr ’ s schon wisst, wozu wollt Ihr dann Wissen?«
    » Keine dämlichen Wortspiele! Sind die wilden Soldaten noch im Palast oder zurück in ihr Lager gegangen?«
    » Nun, einer ist auf jeden Fall hier«, hauchte Lady Jane und wies mit den Augen auf die verschlossene Tür der Privatgemächer.
    Ich plapperte: » Wild ist, wer Wildes sagt.«
    » Er weiß nichts«, sagte Lady Jane, ihre Stimme voller Abscheu. » Er ist ein Narr, Sarah.«
    Lady Margaret sagte: » Jetzt reicht es mit dem hässlichen Geschwätz.« Die anderen hörten nicht auf sie.
    Lady Sarah entgegnete: » Der Narr kann sehen! Und während wir hier festsitzen, unter Bewachung …«
    » Jawohl«, sagte ich. » Er kann Seen, Ihr könnt Flüsse, sie können Meere! Ach!«
    » Er weiß nichts«, wiederholte Lady Jane und kehrte mir den Rücken zu.
    Sie hatte unrecht. Ich hatte bei meinem nachmittäglichen Spaziergang viel erfahren. Nichts über geheime Gänge, aber viel anderes. Ich wusste, dass die jüngeren und hübscher anzusehenden Soldaten von Lord Solek durch die Burg gegangen waren, um sie gut zu erforschen, aber sie hatten sich auch liebenswürdig verhalten. Sie hatten Essen verteilt – von dem ihre Armee, die in Bewegung war, nicht sehr viel besitzen konnte. Sie hatten ihre Hilfe angeboten. Sie hatten für vieles bewundernde Gesten übrig gehabt und nichts geplündert. In dem schmalen Ring der Stadt, in den die Geschäftsleute zurückkehrten, hatten die Wilden Gegenstände gekauft und mit Gold bezahlt. Außerhalb des Palastes hatten die Wilden geholfen, die blauen Toten zu ihren Begräbnisstätten zu tragen, wann immer die trauernden Verwandten die Erlaubnis dazu gegeben hatten.
    » Nun, sie sind nicht so schlimm«, berichteten die Dorfbewohner und Kaufleute, die Königin Caroline die Treue hielten. » Nicht so schlimm wie manch andere.«
    » Ihr Gold ist so gut wie jedes andere.«
    » Sie können kämpfen«, sagte ein junger grüner Wächter, nicht ohne Bewunderung.
    » Sie haben Disziplin.«
    » Zumindest bisher behandeln sie uns gerecht …«
    Ich sah, wie eine Dienerin einem hochgewachsenen jungen Wilden nachblickte, und ihre Bewunderung galt nicht seinen Kampfkünsten oder seinem Gold.
    Aber die Hofdamen der Königin, die den ganzen Nachmittag in der äußeren Kammer festgehalten worden waren, wussten von alledem nichts. Sie nähten und spekulierten, beides gleich schlecht. Cecilias Augen waren vor Angst weit aufgerissen. Als die Außentür aufschwang, zuckte sie zusammen, schrie leise auf und stach sich in den Finger.
    Lord Robert kam herein, Schmutz und Schweiß und Blut auf den Kleidern. Seine Stiefel klapperten auf dem Steinboden, als er geradewegs auf die Privatgemächer zuging.
    Lady Margaret, die Hofdame mit dem höchsten Rang, sprang auf und rief: » Lord Robert!«
    Er blickte sie weder an, noch wurde er langsamer.
    » Mein Lord!«, sagte sie verzweifelt. » Ihr könnt im Augenblick die Königin nicht aufsuchen!«
    Da hielt er inne und wandte sich mit einem Blick um, der Cecilia an die Stuhllehne zurückweichen ließ. Ich hätte mich dieser schwarzen Laune nicht gegenüberfinden wollen. Lady Margaret, die gewöhnlich so gefasst und spröde war, wurde blass.
    Lord Robert sagte: » Und wer seid Ihr, dass Ihr mir sagt, wann ich die Königin aufsuchen kann und wann nicht?«
    » Sie … sie hat Befehle erteilt. Dass niemand sie stören soll.«
    » Tatsächlich.« Er ging einen Schritt auf Lady Margaret zu. Sie behauptete sich neben der erstarrten Gruppe von sitzenden Frauen, der Saum ihres grünen Rockes zitterte auf dem Boden. Lady Margaret, zitternd!
    Lord Robert sagte: » Und was hat die Königin so Wichtiges zu tun, dass sie nicht gestört zu werden wünscht?«
    » Ich … das hat sie mir nicht gesagt, mein Lord.«
    » Und, was auch immer es ist, tut Ihre Gnaden es allein?«
    Lady Margaret überwand ihr Zittern. Sie blickte Lord Robert unmittelbar ins Gesicht und sagte: » Ihre Gnaden ist nicht verpflichtet, mich darüber in Kenntnis zu setzen, was sie tut.« Die unausgesprochene Hälfte ihrer Aussage war

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