Pfad des Tigers - Eine unsterbliche Liebe: Roman (German Edition)
Körper geklaut wird?«, rief ich verzweifelt.
»Ich vermute, es war der Rabe.«
»Aber das ist nur ein Mythos!«
»Du hast selbst gesagt, dass Mythen häufig auf Wahrheiten oder Halbwahrheiten basieren. Vielleicht hat der Rabe die Sachen gestohlen. Ich hätte es mitbekommen, wäre es ein Mensch gewesen. Einen Vogel bemerke ich im Schlaf nicht.«
»Was sollen wir jetzt tun?«
»Das Einzige, was wir tun können: Weitermachen. Wir haben immer noch unsere Waffen und die Goldene Frucht.«
»Ja, aber das Amulett!«
»Alles wird gut, Kells. Wir sollen Vertrauen haben, erinnerst du dich? Das hat der ozeangleiche Lehrer gesagt.«
»Du kannst leicht reden. Dir hat man auch nicht das einzige Bild, das du von Yesubai hast, gestohlen.«
Er sah mich einen Augenblick schweigend an. »Das einzige Bild, das ich jemals von Yesubai hatte, ist das in meinem Kopf.«
»Ich weiß, aber …«
Er legte mir einen Finger unters Kinn und stupste mein Gesicht hoch. »Du hast doch noch die Chance, den Mann zurückzubekommen. Mach dir nicht zu viele Gedanken um das Bild.«
»Du hast recht, du hast natürlich recht. Ich weiß. Dann mal los.«
Wir nahmen die linke Seite und marschierten in dieser Richtung um den Baumstamm. Der Stamm war so riesig, dass ich in der Ferne kaum eine Krümmung ausmachen konnte.
»Was geschieht, wenn wir auf die Schlange treffen, Kells?«
»Es ist keine boshafte Schlange. Sie bewacht lediglich den Baum. So hat es zumindest beim Omphalos-Stein gewirkt. Wenn die Schlange spürt, dass wir einen berechtigten Grund haben einzutreten, wird sie uns einlassen. Wenn nicht, wird sie uns aufhalten.«
»Hm.«
Eine oder zwei Stunden später strich ich beim Gehen mit den Fingerspitzen über die Rinde, da bewegte sich auf einmal der Baumstamm.
»Kishan! Hast du das gesehen?«
Er berührte den Stamm. »Nein.«
»Leg deine Hände auf die Rinde. Genau … hier. Siehst du? Die Maserung verändert sich. Da! Leg deine Hand auf meine. Spürst du es jetzt?«
»Ja.«
Ein Stück des Baumstamms von etwa zwei Metern Breite begann sich zu bewegen. Ein weiteres Teil darüber drehte sich in die entgegengesetzte Richtung. Igendwoher kam mir das Muster bekannt vor, doch ich konnte mich nicht erinnern. Es war verwirrend, ähnlich wie oben auf dem Berg, als wir den riesigen Baum mit einem ganzen Wald verwechselt hatten. Wind blies uns entgegen, als stünden wir vor einem riesigen Blasebalg. Ein mächtiger Windstoß gefolgt von einer steifen Brise ließ das kurze Gras erzittern, und ein Schauder lief mir den Rücken herab.
Kishan sah auf und erstarrte. »Nicht bewegen, Kelsey.«
Die Luft wirbelte noch stärker, als würde der Blasebalg heftiger pumpen.
Ich zischte: »Was ist los, Kishan?«
Ein Rascheln ertönte hinter uns. Es klang, als würde jemand einen schweren Sack durchs Laub ziehen. Zweige knackten, Blätter knisterten, Äste stöhnten. Dann vernahm ich eine tiefe, zischende Stimme.
»Warum sssseid ihr iiiin meinen Waaaald gekoooommen?«
Ich drehte mich langsam um und blickte in ein riesiges, starres, von einer durchsichtigen Schuppe bedecktes Auge. »Bist du die Wächterin des Weltenbaums?«
»Jaaaa. Warum sssseid ihr hiiier?«
Ich ließ den Blick noch höher gleiten. Jetzt wusste ich, was ich vorhin gesehen hatte. Die riesige Schlange war um den Baum gewunden, und die zwei Meter breiten Quadrate waren die Schuppen der Schlange. Ihr Kopf war so groß wie Rens Hummer, und es war unmöglich zu sagen, wie lang ihr Körper war. Kishan trat neben mich und nahm meine Hand. In der anderen hielt er lässig die Chakram .
»Wir sind hier, um den luftigen Lohn einzufordern, der in der Baumkrone versteckt ist«, erklärte ich.
»Warum ssssollte ich euch durchlassssen? Warum braucht iiiihr dassss Göttliche Tuuuch?«
»Der luftige Lohn ist ein Tuch?«
»Jaaaa.«
»Huch. Nun, wir brauchen es, weil es uns helfen wird, den Fluch zu bannen, mit dem zwei Prinzen von Indien belegt wurden, und weil es auch helfen wird, die Bevölkerung ihres Landes zu retten.«
»Wer ssssind diesssseee Prinzzzzen?«
»Der eine ist Kishan hier. Sein Bruder Ren wurde verschleppt.«
Die riesige Schlange schnellte mehrmals die Zunge in Kishans Richtung, der ihre Prüfung tapfer über sich ergehen ließ. Ich wäre längst schreiend davongelaufen.
»Mir ssssagen diesssse Naaamen nichtsss. Ihr dürft nicht passssieren.«
Der riesige Kopf wandte sich langsam von uns ab, während der schwere Körper der Schlange über den Boden glitt. Eine ähnliche
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