Pfad des Tigers - Eine unsterbliche Liebe: Roman (German Edition)
dem Weg, was zu tun ist.«
»Okay. Aber dürfte ich dich um einen Gefallen bitten, bevor wir losgehen?« Er hielt mir die Salbe hin. Ich tauchte den Finger hinein und strich ihm die Creme sanft auf den Hals. Er zog sich das Hemd aus, damit ich die roten Stiche auf seiner Brust und am Rücken behandeln konnte. Hastig setzte ich mich hinter ihn, um mein schamrotes Gesicht zu verbergen. Obwohl ich den Blick so schnell wie möglich abwand, fiel mir sofort auf, wie weich und warm seine bronzefarbene Haut war.
Als ich wieder vor ihm saß, schob er sich das Haar aus dem Gesicht, damit ich ihm die Wangen und die Stirn mit dem grünen Schleim bestreichen konnte. Ein großer Stich leuchtete genau neben seiner Oberlippe. Ich berührte ihn leicht. »Tut das weh?« Mein Blick huschte von seinen Lippen zu seinen Augen. Er sah mich auf eine Art an, die mich erröten ließ.
»Ja«, sagte er leise.
Es war offensichtlich, dass er nicht den Stich meinte, weshalb ich nichts erwiderte. Ich spürte seinen warmen Blick auf meinem Gesicht, während ich mich hastig um seine Lippe und sein Kinn kümmerte. So schnell wie möglich trat ich beiseite und schraubte den Deckel wieder aufs Glas, wobei ich ihm den Rücken zudrehte, als er sich das Hemd anzog.
»Wir sollten uns beeilen!« Ich ging los, und kurz darauf hatte mich Kishan eingeholt und passte sich meinem Tempo an.
Wir wanderten eine oder zwei Stunden und schlugen bei Sonnenuntergang unser Lager auf. An diesem Abend bat mich Kishan um eine weitere Geschichte, und ich erzählte ihm einen der Mythen über Gilgamesch.
»Gilgamesch war ein sehr kluger Mann. So klug, dass er einen Weg fand, um heimlich ins Reich der Götter zu schleichen. Er verkleidete sich und gab vor, einen Botengang von größter Bedeutung zu erledigen. Durch sein geschicktes Fragen fand er das Versteck der Pflanze der Unsterblichkeit heraus.«
»Was ist die Pflanze der Unsterblichkeit?«
»Das weiß ich nicht genau. Es könnten Teeblätter gewesen sein oder etwas, das sie in ihren Salat oder das Essen gemischt haben. Vielleicht war es auch ein Gewürzkraut oder eine Droge wie Opium, doch der springende Punkt ist der, dass er sie gestohlen hat. Vier Tage und vier Nächte lief er ohne sich auszuruhen, um dem Zorn der Götter zu entgehen. Als die Götter herausfanden, dass jemand die Pflanze gestohlen hatte, waren sie schrecklich wütend und setzten eine Belohnung auf seinen Kopf aus. Am fünften Abend war Gilgamesch so müde, dass es sich hinlegen musste, wenn auch nur für ganz kurze Zeit.
Während er schlief, kam eine gewöhnliche Schlange auf ihrer allabendlichen Jagd vorbei. Sie glitt an der wohlriechenden Pflanze vorbei, die Gilgamesch in einem kleinen Beutel aus Kaninchenhaut verstaut hatte. In dem Glauben, sich ein Abendessen stibitzen zu können, verschlang sie den Beutel mit einem einzigen Bissen. Am nächsten Morgen war alles, was Gilgamesch vorfand, eine Schlangenhaut. Das war das erste Mal, dass sich eine Schlänge gehäutet hatte. Seitdem wird behauptet, dass Schlangen ewig leben. Wenn sich eine Schlange häutet, stirbt sie und wird wiedergeboren.« Ich machte eine Pause. Kishan war still. »Bist du dieses Mal wach geblieben?«
»Ja. Die Geschichte hat mir gefallen. Schlaf gut, Bilauta .«
»Du auch.« Aber ich konnte lange nicht einschlafen. Verstörende Gedanken an ein Baby mit goldenen Augen hielten mich wach.
Es kostete uns zwei Tage, das zu finden, wonach ich suchte. Ich wusste, der Baum befand sich in einem großen Tal und dass wir ihn von einem Berg aus sehen könnten. Am ersten Tag erreichten wir die Hügelkette und verbrachten fast den ganzen zweiten Tag mit dem Aufstieg. Als wir den Gipfel erreichten, ließen wir den Blick schweifen.
Wir waren jedoch so weit oben, dass Wolken die Aussicht verdeckten. Als der Wind die Wolken verwehte, erkannten wir, dass ein dunkler Wald das Tal zu bedecken schien. Die Bäume streckten sich in den Himmel, waren ebenso hoch wie der Berg. In meiner Vision hatte ich aber nur einen einzigen Baum mit einem riesigen Stamm gesehen.
Obwohl es hier ganz anders als in meiner Vision aussah, stiegen wir ins Tal hinab. Auf dem Weg nach unten musste ich erschrocken feststellen, dass das, was wir sahen, überhaupt kein Wald war – sondern die Äste eines einzigen gigantischen Baums. Als ich Kishan meine Vermutung mitteilte, erinnerte er mich an Mr. Kadams Recherche. Ich fischte die Unterlagen aus dem Rucksack und las im Gehen:
»Der Weltenbaum hat Wurzeln, die bis
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