Pfade der Sehnsucht: Roman (German Edition)
ausführlichen Beschriftungen bezog sich auf die Arbeit der jüngeren Harringtons. Vielleicht hatte sie bei den Schubladen auf der anderen Seite mehr Glück. Sie schob die Lade wieder zu und griff nach der nächsten …
»Sterling?« Die Tür flog auf. »Bist du noch …«
Gabriella sah erschrocken auf und begegnete dem schockierten Blick von Regina Harrington.
»Grundgütiger!« Lady Regina rief nach hinten. »Kommt schnell! Wir werden ausgeraubt!«
Gabriellas Herz setzte kurz aus. Was Xerxes und sie nicht geplant hatten, war ein Fluchtweg. Allerdings hatte Gabriella ja auch nicht erwartet, ertappt zu werden. Sie lief zum nächsten Fenster.
»Hilfe! Er entkommt!«, schrie das Mädchen.
Gabriella kämpfte mit dem Schieberahmen.
»Oh nein, Sie fliehen nicht!« Lady Regina riss ein altes Breitschwert von der Wand.
»Oh doch, tue ich.« Verflixt, warum wollte das Fenster nicht aufgehen?
»Glauben Sie ja nicht, Sie können in mein Zuhause einbrechen, sich nehmen, was Sie wollen, und einfach davonlaufen! Das tun Sie verdammt nochmal nicht!«
»Was für Ausdrücke, Lady Regina«, murmelte Gabriella, die mit der Faust gegen den Rahmen hämmerte. Es war schon schlimm genug, erwischt zu werden, aber das es ausgerechnet eine verwöhnte Göre sein musste, war eine Beleidigung. »Ihre Mutter wäre entsetzt.«
»Meine Mutter würde sich genauso verhalten wie ich«, entgegnete Lady Regina energisch und bemühte sich, das klobige Schwert beidhändig zu schwingen. »Den Dieb zur Strecke bringen!«
»Ach, um Himmels willen.« Sie war nicht bloß verwöhnt, sondern auch noch dumm. »Haben Sie keine Angst?« Gabriella stemmte sich weiter gegen das Fenster, das sich nicht rührte. »Ich könnte gefährlich sein.«
»Das bezweifle ich«, höhnte Lady Regina und ließ das Schwert herunter, das viel zu schwer für sie schien. »Sie sind kaum ein paar Zentimeter größer als ich und sehen recht zierlich aus.«
»Ich bin nicht im Mindesten zierlich«, protestierte Gabriella leise und knallte nochmals die Faust gegen den Rahmen. »Aber ich bin verzweifelt.«
»Wie auch immer, es wird jeden Moment jemand hier sein, um mir zu helfen.« Da war eine Spur Furcht in der Stimme des Mädchens. »Ein Diener oder meine Brüder oder sonst jemand.« Sie blickte sich um. »Nathanial und Quinton müssten gleich kommen.«
»Schön, aber sie sind noch nicht da, und die meisten Bediensteten dürften längst schlafen.« Jetzt erst bemerkte Gabriella, dass das Mädchen ein Ballkleid trug. »Kommen Sie gerade heim? Um diese Zeit?«
Miss Harrington starrte sie entgeistert an. »Ich war in Begleitung meiner Brüder! Es ist nicht ungewöhnlich, dass ein Ball bis … das geht Sie überhaupt nichts an! Sie gemeiner Dieb!«
»Ich bin kein bisschen gemein«, schnaubte Gabriella und versuchte abermals ihr Glück mit dem Fenster.
»Dort können Sie nicht raus. Das Fenster klemmt.«
»Und wenn schon! Sofern Sie nicht beiseitegehen und mir erlauben, durch die Tür zu gehen, nehme ich das Fenster.« Gabriella sah sich nach etwas um, mit dem sie das Glas einschlagen könnte.
»Sie müssten tief springen«, warnte Lady Regina sie, die immer noch das Schwertheft umklammerte, aber keine Anstalten mehr machte, die mächtige Waffe anheben zu wollen. »Sie würden sich das Genick brechen.«
»Ich lasse es darauf ankommen.« Ihr Blick fiel auf den Schürhaken neben dem Kamin, und sie wollte hinlaufen.
»Bleiben Sie, wo Sie sind!«, kreischte das Mädchen.
»Sie müssten mich mit dem Schwert durchbohren, um mich aufzuhalten.« Gabriella erreichte den Kamin, griff sich den Schürhaken und drehte sich gerade rechtzeitig um, dass sie die Vase sah, die das Mädchen nach ihr schleuderte. Sie duckte sich in letzter Sekunde, ehe ihr die Vase den Hut vom Kopf fegte und hinter ihr am Kaminsims zerschellte.
Lady Regina stand der Mund offen. »Sie sind eine Frau!«
»Ja, ich bin eine Frau!«, sagte Gabriella schnippisch und lief zurück zum Fenster.
Das Mädchen machte zwei Schritte vor. »Wenn Sie den Haken nicht sofort fallen lassen, werde ich Sie tatsächlich aufspießen!«
»Hah! Sie können das Schwert kaum halten, geschweige denn schwingen.« Gabriella hielt den Schürhaken mit beiden Händen und wies damit auf die jüngere Frau. »Und ich versichere Ihnen, dass ich recht geschickt bin mit dem … Feuerhaken.«
Lady Regina kniff die Augen ein wenig zusammen. »Kenne ich Sie?«
»Nein.« Gabriella schwenkte den Schürhaken. »Und nun treten Sie
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