Pfade der Sehnsucht: Roman (German Edition)
Bedeutung.«
Der Earl nickte. »Ja, ich kenne solche Symbole. Mein Vater besaß eine Sammlung. Sie muss irgendwo in einer Holzkiste sein.«
»Das Siegel, das Enrico fand, bezog sich auf das Jungferngeheimnis, und es enthielt ein Symbol für die versunkene Stadt Ambropia«, erzählte Gabriella weiter. »Obgleich diese Stadt in antiken griechischen Schriften erwähnt wird, gab es nie stichhaltige Beweise für deren Existenz. Der Name selbst steht für ›unsterblicher Ort‹, und auch das ist bloß eine griechische Deutung eines weit älteren Namens, der längst verlorenging. Man hielt es lange Zeit für nichts als eine Legende oder einen Mythos.«
»So wie Troja, Atlantis oder Shandihar früher und teils bis heute für nichts als Märchen gehalten werden«, sagte Nathanial.
»Aber Enrico glaubte, sein Siegel wäre mehr als nur der älteste Bezug auf Ambropia.« Sie beugte sich zum Earl vor. »Er glaubte, dass es Teil eines Siegelsatzes war, der die Lage der Stadt enthüllte.«
»Das Jungferngeheimnis«, flüsterte Nathanial.
Lady Wyldewood sah verwundert zu ihm.
»Die Stadt stand angeblich unter dem Schutz einer jungfräulichen antiken Göttin«, erklärte Nathanial. »Auch ihr Name ging verloren. Aber bis jetzt ist es eben nur eine Sage.«
»Ein beachtlicher Fund«, sagte der Earl leise.
»Gibt es viele Schätze in der Stadt?«, fragte Lady Regina.
»Der Schatz, teure Schwester, besteht in dem historischen Wissen, das wir gewinnen«, antwortete Nathanial streng.
Gabriella war erstaunt. Konnte es sein, dass sie sich in ihm getäuscht hatte?
»Auch wenn Gold, Juwelen und kleine Kunstgegenstände, die ein Vermögen einbringen, immer wieder erfreulich sind«, sagte Quinton und nippte grinsend an seinem Brandy.
Offenbar hatte Gabriella diesen Bruder nicht zu Unrecht verdächtigt.
»Erzählen Sie weiter, Miss Montini«, forderte Lady Wyldewood sie auf.
»Als Enrico das Siegel der Gesellschaft für Antikes vorlegen wollte«, sagte Gabriella, die gleichfalls von ihrem Brandy trinken musste, um sich zu wappnen, »entdeckte er, dass es geraubt und durch ein sehr viel minderwertigeres eingetauscht worden war. Er war außer sich vor Verzweiflung.«
Der Earl nickte. »Kann ich mir vorstellen.«
»Soweit ich die Geschichte gehört habe«, mischte sich nun Quinton wieder ein, »geriet Montini in Wut, äußerte die wildesten Vorwürfe und Anschuldigungen.« Er schüttelte den Kopf und sah zu Gabriella. »Die Mitglieder des Gutachterkomitees nehmen solches Gebaren nicht gut auf.«
»Nein, tun sie nicht.« Sie atmete langsam aus. »Sein Betragen im Verein mit dem Umstand, dass das Siegel in seinem Besitz nicht war, was er behauptet hatte … nun, seine Reputation war ruiniert. Umso entschlossener war er, denjenigen zu finden, der ihm das Siegel gestohlen hatte, und es sich zurückzuholen.«
Sie stand auf und begann, im Salon auf und ab zu schreiten, wobei sie die Hände rang. »Das war vor über einem Jahr. Enrico reiste von London aus nach Ägypten, in die Türkei und nach Persien, überall dorthin, wo die Menschen zu finden waren, denen er von dem Siegel erzählte.«
»Einschließlich meiner Brüder?«, fragte der Earl.
»Ja, unter einer Handvoll anderer. Seine Briefe wurden …« Sie zögerte. Wäre sie illoyal, würde sie enthüllen, wie seltsam Enricos Briefe wurden? Oder war es an dieser Stelle nötig, alles zu sagen? Vielleicht änderte es auch gar nichts mehr. »Sie wurden zusehends irrationaler. Seine Suche verzehrte ihn. Dann, vor sechs Monaten, teilte man mir mit, dass er gestorben sei.«
»Hegen Sie den Verdacht, dass er keines natürlichen Todes starb?«, fragte der Earl.
»Mir wurde gesagt, er wäre an einem Fieber gestorben, aber, ja, ich hege jeden nur denkbaren Verdacht«, sagte Gabriella schlicht. »Wie ich überhaupt äußerst misstrauisch wurde.« Sie setzte sich wieder. »Nun ist es an mir, das Siegel zu finden und die Reputation meines Bruders wiederherzustellen.«
Regina machte Tss . »Aber Sie sind eine Frau!«
»Und wenn schon«, sagte Lady Wyldewood. »Ich würde meinen, dass Miss Montini der Aufgabe gewachsen ist.«
Gabriella sah die Ältere an. »Es ist meine Pflicht.«
»Ich verstehe«, sagte der Earl nachdenklich und blickte zu Nathanial.
»Ich kann dir versichern, dass ich nichts stahl.« Er klang sehr ernst, nur leider hatte Gabriella die Erfahrung gemacht, dass die allerbesten Lügner immer sehr ernst wirkten.
Der Blick des Earls wie auch der aller anderen im Salon wanderte
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