Pfade der Sehnsucht: Roman (German Edition)
bitte.«
»Ich freue mich schon darauf, mich ausgiebig mit Ihnen über Ihre Mutter zu unterhalten. Vermutlich haben Sie viele Fragen.«
Ein Kloß bildete sich in Gabriellas Hals. Sie hatte nicht erwartet, dass Lady Wyldewood über ihre im Kindbett verstorbene Mutter reden wollen würde. Gabriella selbst dachte nur sehr selten an ihre Mutter, zumal sie von ihr nichts als eine vage Erinnerung an das Portrait hatte, das ihrem Vater gehörte und nach dessen Tod zusammen mit seinem übrigen Besitz von den Verwandten abgeholt wurde. Das Einzige, wofür die Verwandschaft keine Verwendung hatte, war ein kleines Mädchen gewesen. Gabriella schluckte. »Sie sind sehr freundlich.«
»Dann ist es also beschlossen.« Lady Wyldewood stand auf, und die anderen taten es ihr gleich.
Bei den Harringtons zu wohnen, war nicht geplant gewesen, aber es würde sich gewiss als zweckdienlich herausstellen. Wie konnte sie die Geheimnisse der Schurken besser entdecken? Obwohl, ergänzte sie in Gedanken, Lady Wyldewood wahrscheinlich genauso gütig und freundlich war, wie sie schien.
»Es ist schon spät, und ich möchte mich gern zurückziehen«, sagte die Countess. »Ich lasse Ihnen ein Zimmer herrichten, und morgen früh können Sie jemanden schicken, der Ihre Sachen holt.« Sie musterte Gabriella. »Ich nehme an, Sie besitzen auch angemessenere Kleidung.«
Gabriella nickte. »Ja, aber ich sollte gleich Nachricht schicken. Die … Dame, bei der ich wohne, ist eine sehr alte Freundin … meines Bruders.« Was zumindest teils wahr war. »Sie wird sich sorgen, wenn ich morgen nicht zum Frühstück erscheine.«
»Sehr rücksichtsvoll von Ihnen, meine Liebe.« Die Countess wandte sich an ihre Tochter. »Kommst du?«
»Ja, Mutter.« Lady Regina folgte ihr aus dem Salon.
»Wir sollten uns ebenfalls zurückziehen«, sagte der Earl. »Papier und Schreiber finden Sie in Mr Dennisons Schreibtisch, aber das dürfte Ihnen ja bereits bekannt sein.«
Gabriella lächelte unsicher.
»Quinton?« Der Earl sah seinen Bruder an.
Quinton stürzte den Rest seines Brandys herunter, stellte das Glas auf den Kaminsims und schritt auf Gabriella zu. »Miss Montini.« Er nahm ihre Hand und hob sie an seine Lippen. »Es war ein ausgesprochen erhellender Abend.« Ohne den Blick von ihren Augen abzuwenden, küsste er ihre Hand mit derselben vornehmen und geschulten Art wie sein jüngerer Bruder. Und dennoch war es bei diesem Bruder nichts als reichlich Übung. »Ich freue mich auf zahlreiche weitere.« Dann ließ er ihre Hand los und ging zur Tür.
»Andrews bringt Sie auf Ihr Zimmer, wenn Sie soweit sind«, sagte der Earl. »Gute Nacht, Miss Montini.«
»Lord Wyldewood«, murmelte sie.
Er schaute zu Nathanial, der nickte und ihm nach draußen folgte. Einen Moment später allerdings kehrte Nathanial zurück. »Sie sollten jetzt Ihre Nachricht schreiben, Miss Montini«, sagte er kühl.
Sie ging in die Bibliothek, setzte sich an den Schreibtisch des Sekretärs – Mr Dennison – und öffnete die oberste Schublade. Dabei entging ihr nicht, dass Nathanial jede ihrer Bewegungen beobachtete, was sie verlegen machte. Schließlich wusste sie nur, wo sie Papier und Schreiber fand, weil sie den Schreibtisch aufgebrochen hatte.
Sie wollte zwei Nachrichten verfassen: eine an Xerxes und Miriam, um ihnen zu sagen, dass alles bestens wäre, und eine an Florence. Beide würde sie zusammen in einen Umschlag stecken. Da Xerxes sicher noch vor dem Haus wartete, würde er ihre Nachrichten abfangen und dafür sorgen, dass Florence nur die sah, die für sie bestimmt war.
Florence sollte die Wahrheit erfahren, nämlich dass Gabriella eingeladen wurde, bei einer alten Freundin ihrer Mutter zu wohnen. Ihr fiel ein, dass es nun mit ihren Lügen ein Ende haben könnte. Abgesehen von ihrer tatsächlichen finanziellen Situation und dem Unsinn über einen zweiten Bruder gab es nur noch wenig, über das sie lügen musste.
Sie schrieb ihren kurzen Brief an Xerxes, nahm sich einen frischen Bogen und begann die Nachricht an Florence.
»Sie schreiben recht viel.«
Gabriella widerstand dem Wunsch, ihn anzusehen. »Ich habe eine Menge zu sagen, denn ich möchte nicht, dass sie sich sorgt.«
»Dann teilen Sie ihr wohl nicht mit, dass Sie in unser Haus eingebrochen sind?«
»Nein«, antwortete sie schroff. Es war äußerst schwierig, sich auf ihr Schreiben zu konzentrieren, wenn er sie anstarrte. »Wollen Sie mich die ganze Zeit so ansehen?«
»Ich versichere Ihnen, Miss Montini«,
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