Pfade der Sehnsucht: Roman (German Edition)
Ermunterung wäre er gern gewillt, es zu versuchen, aber diesen reizvollen Gedanken verdrängte er sofort wieder. »Darf ich Sie etwas fragen?«
»Nur zu.«
»Warum tun Sie das?«
Er zuckte mit den Schultern. »Es ist ein sehr großes Haus, und weil ich vermute, dass Sie noch nicht das gesamte Gebäude erkundet haben …«
»Nein, ich meinte nicht, mich zu meinen Zimmern begleiten«, fiel sie ihm verärgert ins Wort. »Ich verstehe, warum Ihre Mutter wünscht, mir zu helfen. Sie möchte der kleinsten Andeutung eines Skandals vorbeugen, und ich schätze, dass ihre frühere Verbindung zu meiner Mutter ebenfalls eine Rolle spielt. Aber Sie? Weshalb sollten Sie mir helfen wollen?«
»Aus einer ganzen Reihe von Gründen.« Von denen mindestens einer mit ihren blauen Augen und der Kurve ihrer Schultern in einem apricot-farbenen Kleid zu tun hatte. »Zunächst einmal habe ich mir zu große Mühe gegeben, den Ruf meines eigenen Bruders zu heben, als dass ich ihn durch wilde Spekulationen beschädigt sehen will. Genauso wenig schätze ich es, wenn meine Ehrlichkeit infrage gestellt wird. Außerdem sprechen wir hier über eine Entdeckung von immenser Wichtigkeit, und daran würde ich gerne teilhaben.« Er lehnte seine Schulter an den Türrahmen und sah Gabriella an. »Und nicht zuletzt möchte ich Sie besser kennenlernen.«
Sie beäugte ihn misstrauisch. »Ach ja?«
»Ja.«
»Warum?«
»Weil ich seit unserer ersten Begegnung an nichts anderes denke. Wie Sie sehen, Miss Montini, haben Sie vorgestern Abend einen ziemlich großen Fehler gemacht.«
»Habe ich?«, fragte sie mit großen Augen.
»Haben Sie. Sie ließen mich glauben, und sei es auch nur für sehr kurze Zeit, dass wir uns schon einmal geküsst haben. Der Gedanke, dass ich mich an einen solchen Kuss nicht erinnern konnte, trieb mich in den Wahnsinn. Dennoch«, er beugte sich näher zu ihr. »Bevor Sie vom Ball verschwanden, wurde mir klar, dass wir uns noch nie begegnet waren, denn ich hätte niemals vergessen, Sie geküsst zu haben.«
»Unsinn«, erwiderte sie leise.
»Und nun geht mir die Vorstellung, Sie zu küssen, nicht mehr aus dem Kopf.«
Sie schluckte. »Denken Sie jetzt daran, mich zu küssen?«
»Ich denke an kaum etwas anderes.«
»Warum?«
»Aber, Miss Montini, Sie haben doch gewiss schon einmal in den Spiegel gesehen. Sie sind recht liebreizend. Die zarte Wölbung Ihrer Wangen wird durch das trotzig gereckte Kinn noch betont. Ich schätze Trotz bei einer Dame fast so sehr wie Intelligenz. Ihre Augen, Miss Montini, sprühen Funken, wenn Sie wütend, empört oder gefangen sind. Und Ihre Lippen …« Sein Blick fiel auf ihren Mund, bevor er wieder zu ihren Augen wanderte. »… betteln darum, geküsst zu werden. Oft und sinnlich. Mit anderen Worten, Miss Montini, Sie sind vollkommen …« Nun neigte er seinen Mund zu ihrem. »… unwiderstehlich.« Seine Lippen streiften ihre, und für einen Moment rührte sie sich nicht.
Dann lachte sie. »Gütiger Himmel, wirkt das tatsächlich bei Damen?«
Er richtete sich langsam auf. »Was?«
»Dieser ganze ›Ihre Augen leuchten wie Sterne und Ihre Lippen sind wie Kirschen‹-Unsinn?«
»Ich entsinne mich nicht, Sterne oder Kirschen erwähnt zu haben«, erwiderte er mit einem trägen Lächeln.
»Sie hätten, wären sie Ihnen eingefallen.«
»Wahrscheinlich.«
»Aber Sie haben meine Frage nicht beantwortet. Konnten Sie feststellen, dass Sie mit derlei Dingen bei Damen Erfolg haben?«
»Ziemlich häufig, ja.«
Sie schüttelte den Kopf. »Das müssen sehr einfältige Damen gewesen sein.«
»Sie werden noch herausfinden, dass ich keine einfältigen Frauen mag. Ich finde sie …« Er suchte nach dem richtigen Wort. »… dumm. Und nicht im Geringsten unterhaltsam.«
»Ach nein? Dann sind Sie einer von jenen Herren, die bei ihren Eroberungen gern herausgefordert werden?«
»Ja. Nein.« Er verstummte. Sie brachte ihn so durcheinander, dass er nicht mehr wusste, was er meinte. »Ich fürchte, wie immer ich darauf antworte, es wird falsch sein. Aber verraten Sie mir, Miss Montini, beabsichtigen Sie, eine Herausforderung zu sein?«
»Ich beabsichtige, keine von Ihren Eroberungen zu werden, falls Sie das wissen wollten. Und sollte ich aufgrund wilder Sternenkonstellationen oder dem Schwinden allen rationalen Verhaltens aus dieser Welt doch zu besagtem Objekt werden, bin ich keine Herausforderung, die Sie mit hübschen Worten meistern können.« Sie verschränkte die Arme vor der Brust, und Nate wich
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