Pfade der Sehnsucht: Roman (German Edition)
unwillkürlich einen Schritt zurück. »Armer Mr Harrington. Offenbar sind Sie noch keiner Dame begegnet, die nicht nur nicht dumm ist, sondern deren Intelligenz der Ihren überlegen ist.«
»Noch keiner, ganz richtig«, sagte er schulterzuckend, obgleich er sich nicht ganz sicher war, dass ihre Intelligenz seiner ebenbürtig wäre.
Sie schnaubte. »Wir werden sehen.«
»Und ob wir das werden.«
»Sie sollten unbedingt begreifen, Mr Harrington, dass ich nicht hier bin, um mich mit Ihnen anzufreunden, geschweige denn Ihre … Geliebte zu werden.« Wieder blitzten ihre Augen, was sehr verführerisch aussah. »Wir sind nichts als unfreiwillige Verbündete auf der Suche nach Gerechtigkeit. Uns verbindet nichts als das ausdrückliche Vorhaben, das Siegel zurückzuholen. Nichts.«
»Ja, natürlich.« Sein Blick schweifte abermals zu ihren Lippen ab. Sie bettelten fürwahr darum, geküsst zu werden. »Dennoch scheint mir die eine Verbundenheit andere nicht auszuschließen.«
»Ebenso wenig wie sie sich gegenseitig bedingen.«
»Sie schulden mir einen Kuss.« Er neigte sich wieder näher zu ihr. »Vorzugsweise im Mondschein.«
»Momentan sehe ich keinen Mondschein.«
»Bis auf den in Ihren Augen.«
»Ich dachte, in meinen Augen wären Funken.«
Er lachte leise. »Es sind äußerst ungewöhnliche Augen.«
»Ach, Mr Harrington.« Sie legte eine Hand an seine Wange, und ihr Tonfall wurde weicher. »Sie sind ein Schurke, wenn auch ein charmanter Schurke. Ich kann mir gut vorstellen, dass bei Ihren Worten zahlreiche Damen dahinschmelzen. Zum Glück …« Als sie ihm in die Augen sah, stockte Nate der Atem. »… zähle ich nicht zu ihnen.« Nun nahm sie ihre Hand herunter und öffnete die Tür. »Gute Nacht.«
»Miss Montini.« Er ergriff ihre Hand und hob sie an seine Lippen. »Sie sollten wissen, dass ich nicht die Art Schurke bin, die eine Niederlage kampflos hinnimmt. Sei es bei der Jagd nach antiken Kunstgegenständen …« Er küsste ihre Hand und blickte ihr in die Augen. »Oder bei der nach etwas sehr viel Aufregenderem.« Nun gab er ihre Hand frei und trat zurück. »Dies dürfen Sie als faire Warnung auffassen.«
»Ich fasse es als das auf, was es war. Die frivole Behauptung eines geständigen Schurken. Folglich betrachte ich es nicht als Warnung, sondern die unerhebliche Bemerkung, die sie war. Gute Nacht.« Dann ging sie ins Zimmer und schloss die Tür vor seiner Nase. Nate hörte das Schloss klicken.
Er klopfte fest an die Tür. »Ich gestand keineswegs, ein Schurke zu sein!«
Ihre Stimme von der anderen Seite klang gedämpft. »Sie leugneten es nicht.«
»Seien Sie versichert, ich hege die Absicht, Sie zu küssen, im Mondschein oder anderswo.«
»Darauf würde ich nicht wetten, Mr Harrington.«
»Trotzdem schulden Sie mir einen Kuss.«
Leises Lachen war alles, was er zur Antwort bekam.
Einen Moment lang blickte Nate auf die geschlossene Tür, während ein Lächeln auf seine Züge trat. Dies hier – sie – würde sich noch als sehr viel aufregender erweisen, als er dachte. Aber über Miss Montini und alles, was sie betraf, konnte er morgen noch reichlich nachdenken.
Ganz oben auf der Liste der Dinge, die er zu klären hatte, stand die Rolle seines Bruders in dem Ganzen. Er musste sich vergewissern, dass Quinton nichts mit dem Diebstahl zu tun hatte. Nicht dass er seinem Bruder nicht glaubte, aber Quinton hatte die Gewohnheit, Fakten so zu verdrehen, wie es seinen Zwecken am dienlichsten war. Nate traute ihm durchaus zu, dass er mehr über die Angelegenheit wusste, als er bislang gesagt hatte.
Ungeachtet Quints Beteiligung, empfand Nate jene seltsame Vorfreude und Spannung, wie er sie stets am Beginn eines neuen Abenteuers erlebte.
Nun konnte er nicht umhin, sich zu fragen, was das größere Abenteuer sein würde: die Suche nach dem Siegel oder die Frau?
Und welches von beidem wäre am Ende der größere Fund?
Gabriella drückte ihr Ohr gegen die Tür. Sie hörte, wie sich seine Schritte entfernten und eine andere Tür geöffnet wurde. Anscheinend war Nathanial Harringtons Zimmer direkt gegenüber. Nicht dass es von Belang wäre. Er könnte im Bett neben ihrem schlafen, und es würde ihm nichts nützen.
Sie atmete langsam aus und schaute sich um. Das Zimmer war viel größer als ihres zu Hause und um einiges luxuriöser. Ohne Frage brachte enormer Reichtum manche Annehmlichkeiten mit sich. Gabriella ging zum Bett, wo sie sah, dass man ihr Nachtkleider bereitgelegt hatte. Sie mussten
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