Pfade der Sehnsucht: Roman (German Edition)
von Lady Regina stammen, die gewiss alles andere als erfreut war, sie Gabriella auszuleihen.
Gabriella kleidete sich rasch um, löschte die Lampe und stieg ins Bett. Wo sie auf dem Rücken lag und blind an die Decke starrte.
Nun, die ganze Sache war vollkommen anders verlaufen als geplant. Der Plan, so misslungen er im Nachhinein anmutete, war schlicht der gewesen, irgendeinen Beweis zu finden, dass die Harringtons in den Siegelraub verwickelt waren. Stattdessen hatte sie zugestimmt, sich von ihnen helfen zu lassen und war darüberhinaus als Gast in ihrem Haus. Was zugegebenermaßen ein Vorteil für sie sein könnte.
Lady Wyldewoods Reaktion auf ihre Situation war gänzlich unerwartet gewesen. Und damit meinte Gabriella nicht deren Beharren, dass die Familie ihr half, und erst recht nicht die Absicht der Countess, mit ihr über ihre Mutter zu sprechen. Die Wahrheit war, dass Lady Wyldewoods frühere Freundschaft zu Gabriellas Mutter sich als wertvolles Instrument erweisen könnte, ihr die Behörden vom Hals zu halten. Lady Wyldewood würde gewiss nicht die Tochter einer alten Freundin verhaften lassen. Diesen einen Punkt hatte Gabriella Xerxes gegenüber allerdings nicht erwähnt.
Ja, gelegentlich hatte sie über ihre Mutter nachgedacht. Wer sie gewesen war und wer ihre Verwandten waren. Die Briefe, die sie fand, gaben ihr keinerlei Hinweis, obwohl sie fast sämtlichst von den Schwestern ihrer Mutter stammten. Es waren die typischen Briefe, wie Schwestern sie einander schickten: ein bisschen Klatsch und dergleichen. In einem stand etwas von einer Kette, die Gabriellas Mutter anscheinend in England vergessen hatte. Doch während Lady Wyldewood auf ihrem Briefpapier geschrieben hatte, waren die übrigen Briefe auf schlichten Bögen verfasst, ohne Familiennamen oder Adressen. Dort fanden sich keinerlei Anhaltspunkte, wo diese Schwestern lebten. Was Gabriella auch nicht übermäßig interessierte. Sie biss die Zähne zusammen. Schließlich hatten die anderen sich nicht im Geringsten um das einzige Kind ihrer Schwester geschert, also weshalb sollte sie sich für die interessieren?
Gabriella schloss die Augen und versuchte einzuschlafen. Wie anders hätte ihr Leben verlaufen können, hätten ihre Tanten sie nach dem Tod ihres Vaters aufgenommen. Sie wäre als anständige englische Dame in einem anständigen englischen Zuhause aufgewachsen, statt das Leben einer Fahrenden an Enricos Seite zu fristen. Nicht dass sie es anders haben wollte, ergänzte sie rasch. Ihre Reisejahre mit dem Bruder und die gemeinsame Arbeit waren voller großartiger Abenteuer gewesen. Trotzdem wäre es schön gewesen, einen festen Platz in der Welt zu haben, ein Zuhause, eine Familie, Menschen, denen nicht egal war, ob man existierte oder nicht. Inzwischen wohnte sie seit fast zehn Jahren in London und fühlte sich immer noch deplatziert. Sie gehörte eigentlich nicht hierher. Sie gehörte nirgendwohin.
Unweigerlich fragte sie sich, ob ihre Mutter, hätte sie überlebt, so wie Lady Wyldewood gewesen wäre: freundlich, großzügig und sehr nett. Sie hoffte es, auch wenn es gar nicht mehr von Bedeutung war. Überhaupt war es sinnlos, darüber nachzudenken, was hätte sein können. Ihre Gedanken heute Nacht, hier im Dunkeln, waren gewiss nur darauf zurückzuführen, dass sie die Verbundenheit zwischen der Countess und ihrer Familie gesehen hatte, sonst nichts. Aber wäre ihre Mutter nicht gestorben oder hätten ihre Tanten sie aufgenommen und als junge englische Dame erzogen …
Wäre sie eine ideale Partie für Nathanial Harrington.
Wo in aller Welt kam das her? Es war absurd. Sie stöhnte, drehte sich um, boxte ins Kissen und rollte sich zusammen. Diesen ärgerlichen Gedanken musste sie schnellstens vergessen. Sicher waren seine albernen Reden schuld, dass sie so etwas Lächerliches dachte. Sie hatte sich nie gewünscht, eine anständige englische Dame zu sein. Seit Langem hatte sie sich damit abgefunden, dass sie nie irgendjemandes Gemahlin sein würde, geschweige denn die eines Sohnes aus adligem Haus. Welchen Weg Nathanial auch immer einschlagen mochte, er würde stets der Bruder eines Earls bleiben, und in diesen Kreisen hatte Gabriella nichts verloren. Sie gehörte schlicht nicht dazu und würde es nie.
Und sollte sie für eine Sekunde gedacht haben, als er sie beim Tanz in den Armen hielt, dass es schön wäre, fortan ausschließlich mit ihm zu tanzen, dann handelte es sich bloß um eine momentane Verirrung. Als er ihre Hand küsste,
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