Pfade der Sehnsucht: Roman (German Edition)
Harrington?«
»Selbstverständlich.«
»Nun, wenn das keine Überraschung ist«, murmelte sie vor sich hin. Offenbar hatte der Mann es ernst gemeint, als er ihr zusicherte, der Ruhm für den Fund gebührte ihrem Bruder. Und wieder einmal fragte Gabriella sich, ob sie Nathanial nicht Unrecht tat, ihn für einen Schurken zu halten.
»Ich kümmere mich um die gesamte Korrespondenz von Mr Harrington und seinen Brüdern, wie ich sagte, aber bis heute Morgen hatte ich nie von diesem Siegel gehört.« Er betrachtete Gabriella streng, und plötzlich wirkte er gar nicht mehr unscheinbar, sondern eher wie ein Mann, mit dem man sich lieber nicht anlegte. »Wie dem auch sei, Sie dürfen gern beide Schreibtische sowie alles andere in der Bibliothek durchsuchen.«
»Das ist nicht nötig, Mr Dennison«, entgegnete sie tunlichst zerknirscht, denn den Sekretär des Earls wollte sie nicht gegen sich aufbringen. Er könnte womöglich ein nützlicher Verbündeter sein. Andererseits, so wie er sie ansah, schien das eher unwahrscheinlich. »Ich würde nicht im Traum an Ihrem Wort zweifeln.«
Mr Dennison rümpfte verächtlich die Nase. Nein, Mr Dennison und sie würden wohl keine Freunde.
»Nun denn, Miss Montini …«
Ein Klopfen an der Tür unterbrach ihn, und Andrews kam herein, der Gabriella einen fast entschuldigenden Blick zuwarf. »Miss Montini, Sie haben …«
»Zur Seite, guter Mann«, befahl Florence, die ihn mit ihrem Regenschirm aus dem Weg schob und in die Bibliothek gestürmt kam. Florence hatte stets ihren Regenschirm bei sich, denn man konnte nie zu gut vorbereitet sein. »Gabriella Montini, welche Erklärung hast du vorzubringen?«
»Guten Morgen, Florence?«, antwortete Gabriella matt.
»Das reicht mir nicht annähernd. Nein, es ist verwirrend und äußerst irritierend.« Florences Blick fiel auf den Sekretär des Earls. »Und wer sind Sie?«
»Edward Dennison, Miss.« Mr Dennison stellte sich kerzengerade hin. »Sekretär des Earls of Wyldewood.«
»Hm.« Florence zog eine verächtliche Miene und wandte sich wieder an Gabriella. »Gabriella, ich muss darauf bestehen, dass du …«
»Und wer sind Sie?«, unterbrach Mr Dennison sie.
»Mein Name ist Florence Henry. Ich bin Miss Montinis Ge…«
»Freundin«, sagte Gabriella hastig. »Miss Henry ist eine sehr alte und sehr gute Freundin. Sie war so freundlich, mir zu gestatten, bei ihr zu wohnen.«
Florence sah sie verwundert an und winkte ab. »Ja, ich bin Miss Montinis Freundin. Nun denn, Gabriella, erzähl mir, was in aller Welt hier vor sich geht.«
»Was vor sich geht, Miss Henry«, sagte Mr Dennison kühl, »ist, dass Ihre Freundin ertappt wurde, wie sie mitten in der Nacht einer gemeinen Kriminellen gleich in das Haus einbrach.«
Gabriella fuhr zusammen.
Florence indes machte einen Schritt auf Mr Dennison zu wie eine Löwin, die ihr Junges verteidigte. »Ich glaube Ihnen nicht. Miss Montini ist weder heute noch war sie jemals zuvor eine Kriminelle, schon gar keine gemeine!«
»Florence …«, begann Gabriella.
Doch Mr Dennison verschränkte die Arme vor der Brust. »Fragen Sie Miss Montini selbst.«
Florence funkelte den Sekretär wütend an, während sie Gabriella fragte: »Sagt dieser Mann die Wahrheit?«
»Hatte ich das nicht in der Nachricht erwähnt?«, hauchte Gabriella unglücklich.
»Oh nein, hast du nicht.« Florence starrte weiter Mr Dennison an. »Wie unangemessen Miss Montinis Vorgehen auch gewesen sein mag, bin ich gewiss, dass sie gute Gründe für ihr Verhalten hatte.«
Mr Dennison schnaubte. »Für ihr kriminelles Verhalten, meinen Sie.«
»Ihr notwendiges Verhalten, um die kriminellen Aktivitäten anderer aufzudecken!« Florence zielte mit ihrem Schirm auf ihn. »Aktivitäten, an denen Sie zweifellos beteiligt waren!«
Gabriella neigte sich zu Andrews. »Vielleicht sollten Sie Hilfe holen.«
»Bevor sie sich gegenseitig ermorden?«, fragte Andrews kopfschüttelnd. »Mr Dennison ist ein Gentleman und würde niemals eine Dame schlagen.«
»Ich sorge mich auch weniger um Mr Dennisons Betragen als um seine Sicherheit«, murmelte Gabriella. Sie sollte etwas tun, um diesen Streit zu schlichten, aber die liebe, sanftmütige Florence zu sehen, wie sie wütend auf den bislang harmlosen Mr Dennison losging, war so unvorstellbar, dass Gabriella gar nichts anderes tun zu können schien, als die Szene zu bestaunen.
Florence verengte die Augen. »Sie …«
Mr Dennison kniff die Lippen zusammen. »Sie …«
»Sie sind der
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