Pfade der Sehnsucht: Roman (German Edition)
wenigen Minuten zuletzt.«
»Wie kommst du darauf?«, fragte Nate misstrauisch.
»Ich hörte dich in ihr Zimmer gehen.« Quint lachte. »Meiner Erfahrung nach heißt es, wenn ein Mann und eine Frau ein lautstarkes Wortgefecht haben und dann alles still wird, dass sie sich entweder gegenseitig umgebracht haben oder sich in die Arme gefallen sind. Und du kommst mir nicht tot vor.«
»Nein, also …« Nate grinste verlegen, wurde jedoch gleich wieder ernst. »Wir haben uns nicht angeschrien.«
Quint schmunzelte.
»Folglich kannst du uns nicht gehört haben.«
Quint schmunzelte noch mehr.
»Ja, ich habe sie geküsst«, sagte Nate barscher als beabsichtigt.
»Und du bist in sie verliebt.«
Für einen Moment überlegte Nate, es abzustreiten, aber wozu? Er holte tief Luft und sagte: »Ja, bin ich.«
»Ich wusste, dass sie gut für dich ist.«
»Noch nie bin ich einer Frau wie ihr begegnet.«
»Es gibt auch keine wie sie.«
Nate überging die Bemerkung. »Sie besteht zu gleichen Teilen aus Intelligenz und Torheit, Ehrlichkeit und Geheimnissen. Seit ich sie erstmals auf Reggies Ball sah, will sie mir einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen.«
»Dann ist das ein Dauerzustand?«, fragte Quint erstaunt.
»Ja, ist es. Obwohl, sie davon zu überzeugen …«
»Wie schwierig kann das sein? Du sagst: ›Ich liebe dich, heirate mich, und ich werde für den Rest meiner Tage alles tun, was in meiner Macht steht, um dich überglücklich zu machen.‹«
Nate schüttelte den Kopf. »Nein, so einfach ist es nicht.«
»Hast du es versucht?«
»Offen gesagt, habe ich nicht …«
»Dann solltest du es tun.«
Nate sah zu seinem älteren Bruder. »Soll ich dem Rat eines Mannes folgen, der noch nie solche Worte selbst ausgesprochen hat?«
»Die Tatsache, dass ich sie noch zu keiner Frau sagte, bedeutet nicht, dass ich nicht weiß, wie man es anstellt. Außerdem weiß sie bereits, wie du für sie empfindest.«
»Wie kann sie …«
»Jeder im Haus weiß, wie du empfindest.«
»Trotzdem bin ich nicht sicher, ob meine Gefühle ihr wichtig sind.«
»Dann sorg dafür, dass sie es werden.« Quint verdrehte die Augen. »Es ist nicht zu übersehen, dass sie genauso für dich empfindet.«
Nate grinste. »Ich hoffe es.« Dann seufzte er. »Sie vertraut mir bis zu einem gewissen Grad, aber nicht vollkommen. Immer noch hütet sie ihre Geheimnisse.«
»Wir haben alle unsere Geheimnisse«, sagte Quint achselzuckend.
»Ja, haben wir.« Nate betrachtete seinen Bruder aufmerksam. »Hast du ihrem Bruder das Siegel gestohlen?«
Quint blickte ihm fest in die Augen. »Nein.« »Na gut«, sagte Nate langsam. »Lass es mich anders formulieren. Hast du Montinis Siegel?«
Quint schwieg eine Weile. »Nicht bei mir.«
»Hast du es beim Glücksspiel auf Kreta von Javier Gutierrez gewonnen?«
»War das gut geraten, Bruder?«, fragte Quint skeptisch.
Nate verzog das Gesicht. »Gut würde ich nicht sagen.«
»Ja, ich habe Gutierrez das Siegel abgenommen.« Er schnaubte verächtlich. »Der Mann ist ein Idiot.«
»Der Mann ist gefährlich.«
»Genau wie ich, wenn es nötig ist.« Quint wies auf einen Sessel. »Setz dich lieber hin. Es ist eine lange Geschichte.«
Nate setzte sich. »Dann fang an.«
»Also schön. Zunächst einmal solltest du wissen, dass es nicht Montinis Siegel ist.«
»Aha?«
»Vor Jahren, als ich mit Professor Ashworth arbeitete, kaufte er eine Kiste in Athen, in der größtenteils nur … Ramsch war. Tonscherben, Marmorstückchen, antike Werkzeuge, solche Sachen. Aber es waren auch mehrere zylindrische Siegel in der Kiste, und eines fiel mir auf. Es sah akkadisch aus und war aus Grünstein.«
Nate hielt den Atem an. »Und?«
»Und einer flüchtigen Untersuchung zufolge schienen die Symbole auf Ambropia und das Jungferngeheimnis zu verweisen. Leider war ich so dumm, es wieder in die Kiste zu legen, um es später gründlicher anzusehen, was ich bitter bereute, denn ich sah es nie wieder. Die Kiste wurde gestohlen.«
»Was sagte der Professor?«
»Ich hatte es ihm nicht erzählt.« Quint schüttelte den Kopf. »Fast sein ganzes Leben hatte er danach gesucht. Ich wollte ihn überraschen. Bei Gott, war ich ein Idiot! Ich hätte es niemals aus den Augen lassen dürfen.«
»Denkst du, Montini hat es gestohlen?«
»Nein, obgleich ich es ihm zutrauen würde. Aber wenn er es damals gestohlen hätte, hätte er nicht Jahre gewartet, seinen Fund öffentlich zu machen. Ich weiß nicht, wer es ursprünglich stahl oder durch wie
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