Pfand der Leidenschaft
strichen sanft über ihre Knöchel. »Das tut mir sehr leid. Ich weiß, wie viel er deiner Familie bedeutet. Soll ich einen Arzt aus London kommen lassen?«
»Dafür ist es wahrscheinlich zu spät.« Sie spürte, wie ihr Tränen in die Augen schossen, und hielt sie mit aller Gewalt zurück.
»Wenn es irgendetwas gibt, das ich tun kann, musst du es mir nur sagen.«
»Da wäre tatsächlich etwas …« Sie erzählte ihm von Leos Verschwinden und ihrer Vermutung, dass
er sich irgendwo in Hampshire aufhielt. »Jemand muss ihn finden«, sagte sie. »Ich würde selbst nach ihm suchen, aber ich werde hier gebraucht. Und gelegentlich taucht er an Orten auf …«
»Um die ehrenwerte Menschen einen großen Bogen machen«, beendete Christopher ihren Satz. »Aber da ich deinen Bruder wie meine Westentasche kenne, kann ich dir versichern, meine Liebe, dass man ihn am besten dort lässt, wo auch immer er gerade stecken mag, und abwartet, bis sich die Wogen geglättet haben und er seinen Rausch ausgeschlafen hat.«
»Er könnte verletzt oder in Gefahr sein. Er …« Von Christophers Gesichtsausdruck konnte Amelia ablesen, dass er nicht die geringste Lust hatte, sich auf die Suche nach einem Taugenichts wie ihrem Bruder zu machen. »Wenn du dich ein bisschen im Dorf umhören könntest, wäre ich dir sehr dankbar.«
»Das werde ich. Versprochen.« Auf einmal beugte er sich vor und legte ihr die Arme um die Schultern. Sie verspannte sich vor Überraschung, wehrte sich jedoch nicht, als er sie an sich drückte. »Arme Amelia«, flüsterte er. »Auf deinen Schultern lastet eine solche Bürde.«
Es hatte eine Zeit gegeben, als Amelia sich nach einem Moment wie diesem verzweifelt gesehnt hatte. Von Christopher gehalten, von ihm getröstet zu werden. Früher wäre dies der Himmel auf Erden gewesen.
Aber nun fühlte es sich nicht mehr so an.
»Christoph…«, setzte sie an und wich ein wenig vor ihm zurück, als sein Mund unaufhaltsam auf sie zukam. Amelia erstarrte vor Verwunderung, während er sie küsste. Auch das war … anders … und dennoch,
für einen kurzen Augenblick erinnerte es sie daran, wie glücklich sie mit ihm gewesen war. Doch das alles schien schon eine Ewigkeit her zu sein, vor dem Scharlachfieber, als sie noch unschuldig und hoffnungsvoll gewesen und ihr die Zukunft so vielversprechend vorgekommen war.
Sie wandte das Gesicht ab. »Nein, Christopher.«
»Natürlich.« Er drückte seine Lippen auf ihr Haar. »Jetzt ist nicht der richtige Moment. Es tut mir leid.«
»Ich mache mir so schreckliche Sorgen um meinen Bruder und Merripen, dass ich über nichts anderes nachdenken kann …«
»Ich weiß, meine Liebste.« Er legte einen Finger unter ihr Kinn, so dass sie ihn wieder ansehen musste. »Ich werde dir und deiner Familie helfen. Nichts bedeutet mir mehr, als dich sicher und glücklich zu wissen. Und du brauchst meinen Schutz. Solange deine Familie in einem solchen Gefühlschaos steckt, könnten Fremde die Gelegenheit ausnutzen, um dir zu schaden.«
Sie runzelte die Stirn. »Niemand schadet mir.«
»Und was ist mit dem Zigeuner?«
»Sprichst du von Mr. Rohan?«
Christopher nickte. »Ich bin ihm zufällig auf seinem Weg nach London begegnet, und er hat auf eine Art und Weise von dir gesprochen … nun, es genügt wohl zu sagen, dass er kein Gentleman ist.«
»Was hat er gesagt?«
»Er ging so weit, die dreiste Behauptung aufzustellen, dass ihr heiraten würdet.« Er lachte verächtlich. »Als würdest du dich jemals derart erniedrigen. Ein Zigeuner ohne Manieren und Bildung.«
Amelia spürte, wie brennender Ärger in ihr aufstieg.
Sie blickte in das Gesicht des Mannes, den sie einst so inbrünstig geliebt hatte. Er war der Inbegriff des vollkommenen Ehemanns gewesen. Vor nicht allzu langer Zeit hätte Christopher bei einem Vergleich mit Cam Rohan um Längen gewonnen. Aber sie war nicht mehr dieselbe Frau, die sie damals gewesen war … und Christopher war nicht mehr der Ritter in der schimmernden Rüstung, für den sie ihn einst gehalten hatte.
»Ich hätte nicht das Gefühl, mich zu erniedrigen«, erwiderte sie. »Mr. Rohan ist ein Gentleman und wird von seinen Freunden hoch geschätzt.«
»Sie finden ihn alle recht amüsant, doch er wird ihnen nie ebenbürtig sein. Und niemals ein Gentleman. Das ist jedem bewusst, meine Liebste, selbst Rohan.«
»Mir nicht, und ich glaube es auch nicht«, entgegnete sie. »Um ein Gentleman zu sein, bedarf es mehr als nur gute Manieren.«
Christopher starrte
Weitere Kostenlose Bücher