Pfand der Leidenschaft
angenommen, dass meine Sehnsucht nach ihm dann längst verflogen wäre, aber das stimmt nicht.« Ein schelmisches Lachen tanzte in ihren dunklen Augen. »Jetzt werde ich Euch ein paar der Gäste vorstellen. Wen wollt Ihr als Erstes kennenlernen?«
Amelias Blick war vom Earl zu den Herren gewandert, die neben ihm standen. Ein heißes Prickeln rann ihr den Rücken hinab, als sie plötzlich Cam Rohan bemerkte. Er war genauso in Schwarz und Weiß gekleidet wie alle anderen Gentlemen, aber diese vornehme, gesittete Aufmachung unterstrich nur sein exotisches Äußeres. Mit dem dunklen, seidig schimmernden Haar, das sich über dem gestärkten weißen Kragen lockte, seinem dunklen Teint und den haselnussbraunen Augen mit einem Stich Gold schien er in dieser ehrbaren Umgebung völlig fehl am Platz zu sein. Als Rohan ihre Anwesenheit bemerkte, verbeugte er sich, was sie mit einem steifen Knicks erwiderte.
»Natürlich, Ihr habt Mr. Rohan bereits kennengelernt«, bemerkte Lady Westcliff, der die Begrüßung nicht entgangen war. »Ein interessanter Mensch, nicht wahr? Mr. Rohan ist charmant und sehr zuvorkommend, doch in ihm steckt gleichzeitig etwas Wildes, Ungebändigtes. Das gefällt mir.«
»Ich …« Nur mit allergrößter Mühe gelang es Amelia, den Blick von Rohan zu wenden. Ihr Herz raste. »Etwas Wildes?«
»Oh, Ihr kennt all die Vorschriften und Regeln, die die Oberschicht in Bezug auf Anstand und Moral aufgestellt hat. Mr. Rohan kümmert sich nicht darum.« Lady Westcliff schmunzelte. »Ebenso wenig wie ich, wenn ich ehrlich bin.«
»Wie lange kennt Ihr Mr. Rohan eigentlich?«
»Erst seit Lord St. Vincent den Spielclub übernommen hat. Seitdem ist Mr. Rohan eine Art Protegé von ihnen beiden, von St. Vincent und Westcliff.« Sie lachte kurz auf. »Oder besser gesagt, auf der einen Schulter sitzt ein kleiner Engel, auf der anderen ein kleiner Teufel. Rohan scheint die zwei jedoch ganz gut im Griff zu haben.«
»Warum haben sie ein solch großes Interesse an ihm?«
»Er ist ein ungewöhnlicher Mann. Ich bin nicht sicher, ob irgendjemand sein Wesen wahrhaft erfassen kann. Laut Westcliff besitzt Rohan einen messerscharfen Verstand. Aber gleichzeitig ist er abergläubisch und unberechenbar. Habt Ihr von seinem Glücksfluch gehört?«
»Seinem was?«
»Anscheinend macht Rohan aus allem, was er anfasst, Gold. Viel Gold. Selbst wenn er es zu verlieren versucht. Er behauptet, es sei falsch, wenn einer Person zu viel Geld gehört.«
»Das ist eine Eigenart der Roma«, murmelte Amelia. »Sie halten nicht viel von materiellen Dingen.«
»Ja. Nun, da ich aus New York stamme, weiß ich nicht viel über die Kultur der Zigeuner. Aber gegen seinen Willen erhält Mr. Rohan einen bestimmten Prozentsatz von den Einnahmen des Clubs, und egal wie viele Wohltätigkeitsvereine er unterstützt oder unvernünftige Anlagen er tätigt, stellt es sich stets als unverhoffter Glücksgriff heraus. Zuerst kaufte er ein altes Rennpferd mit kurzen Beinen – Little Dandy -, das prompt im vergangenen April das Grand National gewann. Dann war da die Sache mit dem Gummi, und …«
»Womit?«
»Es war eine kleine, heruntergekommene Fabrik im Osten von London, die Gummi herstellte. Genau in dem Moment, als sie bankrott ging, hat Mr. Rohan ein beträchtliches Vermögen in die Fabrik investiert. Jeder, einschließlich Lord Westcliff, hat ihm davon abgeraten und ihn einen Narren genannt, der jeden Cent verlieren würde …«
»Was natürlich seine Absicht war«, erklärte Amelia.
»Genau. Aber zu Rohans Entsetzen ist die Sache noch einmal gutgegangen. Der Fabrikdirektor hat das Geld benutzt, um die Patente für das Vulkanisieren von Gummi zu kaufen, und sie haben diese dehnbaren Ringe erfunden. Und jetzt ist das Unternehmen ein riesiger Erfolg. Ich könnte Euch noch unzählige Beispiele aufzählen, doch es läuft immer auf dasselbe hinaus – Mr. Rohan wirft das Geld aus dem Fenster, und es kommt zehnfach zu ihm zurück.«
»Ich würde das nicht gerade als einen Fluch bezeichnen«, sagte Amelia.
»Mir würde das nie in den Sinn kommen.« Lady Westcliff lachte leise. »Aber Mr. Rohan kommt es tatsächlich so vor. Das ist auch der Grund, warum es so lustig ist. Ihr hättet heute Morgen sehen sollen, wie er griesgrämig im Haus herumgeschlichen ist, nachdem er die neuesten Berichte von einem seiner Londoner Börsenspekulanten erhalten hat. Alles gute Nachrichten. Er hat fürchterlich mit den Zähnen geknirscht.«
Fürsorglich nahm Lady
Weitere Kostenlose Bücher