Pfand der Leidenschaft
zugutehalten konnte, dann seine bedingungslose Treue.
»Mylord«, sagte Frost leise und verbeugte sich vor beiden. »Und Miss Hathaway.« Es schien ihn große Überwindung zu kosten, ihrem Blick standzuhalten. Allein der Himmel wusste, was es sie kostete. »Wie schade, dass wir uns so lange nicht gesehen haben.«
»Nicht jeder hier scheint diesen Umstand zu bereuen«,
erwiderte Leo und verzog keine Miene, als Amelia ihm auf den Fuß trat. »Wohnst du in Stony Cross Park?«
»Nein, ich besuche alte Freunde der Familie – die Besitzer der Dorftaverne.«
»Wie lange wirst du bleiben?«
»Ich habe keine festen Pläne. Ich mache mir in aller Ruhe Gedanken über einige meiner Aufträge, während ich die angenehme Abgeschiedenheit des Landlebens genieße.« Sein Blick huschte kurz zu Amelia und kehrte dann zu Leo zurück. »Ich habe dir einen Brief geschrieben, als ich von deinem Aufstieg in den Adel gehört habe.«
»Ich habe ihn erhalten«, sagte Leo leichthin. »Obwohl ich mich an seinen Inhalt beim besten Willen nicht mehr erinnern kann.«
»Etwas in der Richtung, dass ich mich zwar sehr für dich freue, jedoch gleichzeitig enttäuscht bin, einen ebenbürtigen Gegner verloren zu haben. Du hast mich immer dazu gebracht, dass ich über meine Fähigkeiten hinauswachse.«
»Ja«, entgegnete Leo bitter. »Es war ein herber Verlust für die architektonische Welt.«
»Ja, wirklich«, stimmte ihm Frost ohne jegliche Ironie zu. Sein Blick ruhte nun auf Amelia. »Ist mir die Bemerkung gestattet, wie gut du aussiehst?«
Wie seltsam, dachte Amelia benommen, dass sie einst in ihn verliebt gewesen war, und sie nun derart förmlich miteinander redeten. Sie liebte ihn nicht mehr, und dennoch … die Erinnerung, in seinen Armen zu liegen, ihn zu küssen, zu liebkosen … färbte jeden Gedanken, jedes Gefühl, wie mit Tee besudelte Seide ein. Der Fleck ließe sich niemals völlig entfernen.
Sie erinnerte sich an einen Rosenstrauch, den er ihr einmal geschenkt hatte … er hatte eine Blume abgeschnitten, mit den Blüten über ihre Wangen und geöffneten Lippen gestrichen und über ihre Schamesröte gelächelt. Meine kleine Taube , hatte er geflüstert.
»Vielen Dank«, sagte sie. »Darf ich dir im Gegenzug zu deiner Hochzeit gratulieren?«
»Die Glückwünsche sind leider fehl am Platz«, erwiderte Frost zögerlich. »Die Hochzeit hat nicht stattgefunden.«
Amelia spürte, wie sich Leos Hand in ihre Hüfte krallte. Sie lehnte sich kaum merklich an ihn und blickte von Christopher Frost weg, vollkommen unfähig, ein Wort über die Lippen zu bringen. Er ist nicht verheiratet . Ihre Gedanken überschlugen sich.
»Ist sie zur Vernunft gekommen«, hörte sie Leo beiläufig fragen, »oder warst du es?«
»Es stellte sich schnell heraus, dass wir nicht so gut zueinanderpassten wie erhofft. Sie war so gütig, mich von meiner Verpflichtung zu entbinden.«
»Sie hat dir also den Laufpass gegeben«, sagte Leo. »Arbeitest du immer noch für ihren Vater?«
»Leo«, empörte sich Amelia leise. Sie sah gerade rechtzeitig auf, um Frosts gequältes Grinsen zu sehen, und ihr Herz verkrampfte sich bei der Vertrautheit seiner Mimik.
»Du hast nie zu den Menschen gehört, die ein Blatt vor den Mund nehmen, nicht wahr? Ja. Ich bin immer noch bei Temple angestellt.« Frosts Blick wanderte langsam über Amelias Gestalt. »Es war ein Freude, dich wiederzusehen, Amelia.«
Als er sich umdrehte, sackte sie gegen ihren Bruder.
Ihre Stimme war eine Spur harscher als gewöhnlich. »Leo, ich würde es sehr zu schätzen wissen, wenn du an deinem Zartgefühl arbeiten würdest.«
»Wir können uns nicht alle so gewählt ausdrücken wie dein Mr. Frost.«
»Er ist nicht mein Mr. Frost.« Es folgte eine kurze Pause, dann fügte sie düster hinzu: »Und das war er auch nie.«
»Du hast etwas viel Besseres verdient. Ruf dir das ja ins Gedächtnis, wenn er auf einmal wieder schwanzwedelnd um dich herumschleichen sollte!«
»Das wird er nicht«, sagte Amelia und hasste es, wie ihr Herz hinter ihrem selbst errichteten Schutzwall einen Sprung machte.
Siebtes Kapitel
Kurz vor der Ankunft der Hathaways hatte Captain Swansea, der vier Jahre in Indien stationiert gewesen war, die Gäste mit der farbenfrohen Schilderung einer Tigerjagd in Vishnupur unterhalten. Der Tiger hatte sich an den Hirsch herangepirscht, ihn mit einer kräftigen Vorderpfote zu Boden gedrückt und ihm dann die scharfen Zähne in den Nacken gerammt. Die Frauen und einige der Männer hatten
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