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Pfand der Leidenschaft

Titel: Pfand der Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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Augenblicks. Er war zwar kein Gentleman, aber schonungslos ehrlich, was ihr weit mehr imponierte als jedes noch so höfliche Gebaren.
    Und dann war da der blonde, kultivierte, vernünftige, gut aussehende Christopher, der den Wunsch geäußert hatte, ihre Beziehung wiederaufleben zu
lassen. Sie wusste nicht, ob es ihm tatsächlich ernst war, und wie sie auf sein Angebot reagieren sollte. Wie viele Frauen wären zutiefst dankbar, eine zweite Chance mit ihrer ersten Liebe zu bekommen? Wenn sie sich entschloss, über seinen vergangenen Fehltritt hinwegzusehen und ihm zu verzeihen, wäre es vielleicht nicht zu spät für Christopher und sie. Amelia war jedoch nicht sicher, ob sie all die geplatzten Träume zurückerobern wollte. Und sie fragte sich betrübt, ob es überhaupt möglich war, mit einem Mann glücklich zu werden, den man zwar liebte, dem man aber nicht vertrauen konnte.
    Beatrix zog eine Glasscheibe aus der Lampe, legte sie vorsichtig beiseite und nahm die nächste zur Hand. »Die hier gefällt mir am besten …«, wandte sie sich an Poppy, als sie das nächste Bild in den Schlitz schob.
    Da Amelia jegliches Interesse an den Projektionen auf der Wand verloren hatte, machte sie sich nicht einmal die Mühe, den Kopf zu heben. Ihre Aufmerksamkeit war auf Wins Stickerei geheftet. Da zuckte ihre Schwester zusammen, und die Nadel stieß in das weiche Fleisch ihres Zeigefingers. Ein Blutstropfen quoll hervor.
    »O Win …!«, murmelte Amelia.
    Win schien den Nadelstich allerdings überhaupt nicht zu spüren. Forschend betrachtete Amelia das aschfahle Gesicht ihrer Schwester und folgte ihrem Blick.
    Die magische Lampe warf eine Winterlandschaft mit einem schneebedeckten Himmel und die dunkle Silhouette eines Waldes an die Wand. Es wäre ein unscheinbares Bild gewesen, hätte man nicht das zarte
Gesicht einer Frau erkennen können, das sich aus den Schatten schälte.
    Ein vertrautes Gesicht.
    Während Amelia wie benommen zur Wand starrte, gewannen die zarten Linien auf einmal an Fülle und Klarheit, bis es beinahe den Anschein machte, als könnte man das Gesicht mit den Fingern berühren, wenn man sich nur ein wenig anstrengte.
    »Laura«, hörte sie Win hauchen.
    Die Frau, die Leo geliebt hatte. Das Gesicht war unverkennbar. Amelias erster Gedanke war, dass Beatrix und Poppy ihnen einen entsetzlichen Streich spielten. Aber als sie zu den beiden Mädchen auf dem Fußboden blickte, die unschuldig miteinander plauderten, erkannte sie augenblicklich, dass ihre jüngsten Schwestern das Gesicht der toten Freundin nicht sahen. Ebenso wenig wie Merripen, der Win voll Besorgnis musterte.
    Sobald Amelias Blick erneut zur Projektion an der Wand huschte, war das Gesicht verschwunden.
    Beatrix wollte gerade die Glasscheibe aus der magischen Lampe ziehen, als sich Leo wie ein Besessener auf seine Schwester stürzte und sie ihr entriss.
    »Gib sie mir!«, rief Leo, und seine Stimme klang wie das Knurren eines wütenden Hundes. Sein Gesicht war kreidebleich und grotesk verzerrt, sein Körper vor Panik gekrümmt. Er beugte sich über das bemalte Glas und starrte hindurch, als sei es ein winziges Fenster zur Hölle. Während er nervös an der magischen Laterne herumhantierte und mit aller Gewalt die Glasscheibe in den Schlitz pressen wollte, hätte er die Lampe beinahe umgeworfen.

    »Hör auf, du machst sie noch kaputt!«, kreischte Beatrix verwirrt. »Leo, was tust du da?«
    »Leo«, sagte Amelia angespannt, »du wirst noch das ganze Haus in Brand stecken. Sei vorsichtig!«
    »Was ist los?«, wollte Poppy wissen. Sie wirkte beunruhigt. »Was ist geschehen?«
    Die Glasscheibe rutschte in den Schlitz, und die Winterlandschaft flackerte erneut an der Wand auf.
    Schnee, Himmel, Wald.
    Das war alles.
    »Komm zurück«, murmelte Leo fiebrig und rüttelte an der Laterne. »Komm zurück. Komm zurück!«
    »Du machst mir Angst, Leo«, beschwerte sich Beatrix, sprang auf und lief zu Amelia. »Was ist nur los mit ihm?«
    »Leo ist betrunken«, versuchte Amelia sie zu beschwichtigen. »Du weißt doch, wie er sich aufführt, wenn er zu tief ins Glas geschaut hat.«
    »So habe ich ihn aber noch nie erlebt.«
    »Es ist höchste Zeit, schlafen zu gehen«, erklärte Win. Tiefe Besorgnis war aus ihrer Stimme herauszuhören. »Lasst uns hochgehen, Beatrix … Poppy …« Ihr Blick huschte zu Merripen, der sofort aufstand.
    Da ihr Bruder taub für alle Ratschläge und Warnungen war, scheuchten Win und Merripen die jüngeren Mädchen gekonnt aus dem

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