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Pfand der Leidenschaft

Titel: Pfand der Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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Zimmer. Ein fragendes Murmeln von Merripen, und Win erwiderte leise, dass sie ihm später alles erklären würde.
    Als ihre Schwestern fort und die Schritte im Korridor verhallt waren, sagte Amelia sanft: »Ich habe sie ebenfalls gesehen, Leo. Und Win auch.«
    Ihr Bruder sah sie nicht an, aber seine Hände blieben
ruhig auf der Laterne liegen. Nach einem kurzen Moment holte er die Glasscheibe aus dem Schlitz und schob sie anschließend wieder zurück. Seine Hände bebten. Der Anblick einer solch verzehrenden Trauer war für Amelia nur schwer zu ertragen. Sie stand auf und ging zu ihm. »Leo, bitte rede mit mir. Bitte …«
    »Lass mich in Frieden.« Abwehrend barg er das Gesicht in den Händen.
    »Jemand muss bei dir bleiben.« Im Zimmer war es kälter geworden. Ein eisiger Schauder hatte Amelias Wirbelsäule ergriffen und bahnte sich einen Weg den Rücken hinab.
    »Mir geht es gut.« Er keuchte. Verbissen senkte Leo die Hände und starrte seine Schwester aus sonderbar hellen Augen an. »Mir geht es gut. Ich muss nur … ich will … ein bisschen allein sein.«
    »Aber wir müssen darüber reden, was wir gerade gesehen haben.«
    »Es war nichts.« Mit jeder verstrichenen Sekunde klang er ruhiger. »Es war nur ein Trugbild.«
    »Es war Lauras Gesicht. Du und Win und ich, wir haben es gesehen.«
    »Wir haben alle dieselben Schatten gesehen.« Ein kaum merkliches Lächeln umspielte seine Lippen. »Also wirklich, Schwesterherz, du bist doch viel zu vernünftig, um an Gespenster zu glauben.«
    »Ja, aber …« Der vertraute spöttische Ton in seiner Stimme beruhigte Amelia. Und dennoch behagte es ihr gar nicht, wie er die Lampe hartnäckig mit der Hand umschloss.
    »Wie du schon sagtest«, erinnerte er sie, »es ist spät. Du brauchst Schlaf. Mir geht es gut.«

    Amelia zögerte. Ihre Arme fröstelten unter den Ärmeln ihres Kleides. »Wenn du das wünschst …«
    »Ja. Geh auf dein Zimmer.«
    Widerstrebend kam sie seiner Bitte nach. Als sie den Salon verließ, fegte auf einmal ein Windstoß an ihr vorbei. Eigentlich hatte Amelia die Tür nur anlehnen wollen, doch sie schnappte zu wie die Zähne eines hungrigen Tieres.
    Es fiel Amelia sehr schwer, sich von ihrem Bruder fortzureißen. Sie wollte ihn vor etwas beschützen.
    Sie wusste nur nicht, wovor.
    Sobald Amelia in ihr Zimmer kam, schlüpfte sie in ihr Lieblingsnachthemd. Der weiße Flanellstoff war dick und eingelaufen vom vielen Waschen, der hohe Kragen und die langen Ärmel waren mit weißer Spitze versehen, die Win für sie gehäkelt hatte. Die Eiseskälte, die sie im Erdgeschoss gepackt hatte, ließ sich nur schwer abschütteln, selbst nachdem sie unter die Bettdecke geschlüpft war und sich zusammengerollt hatte. Sie hätte ein Feuer im Kamin entfachen müssen. Sie hätte es auch jetzt noch tun können, aber der Gedanke, aus dem Bett zu steigen, war keineswegs verlockend.
    Stattdessen dachte sie angestrengt an heiße Dinge: eine Tasse Tee, einen Wollschal, ein dampfendes Bad, einen in ein Handtuch eingeschlagenen Ziegelstein vom Herd. Allmählich wurde es Amelia wärmer, und sie entspannte sich genug, um endlich in den Schlaf zu finden.
    Aber es war kein geruhsamer Schlaf. In ihren Träumen führte sie Streitgespräche mit fremden Menschen, lieferte sich Wortgefechte, die keinen Sinn ergaben. Sich windend, hin- und herdrehend, zuerst auf dem Bauch, dann auf der Seite auf dem Rücken
liegend, versuchte sie, die verstörenden Bilder zu verdrängen.
    Plötzlich war eine Stimme zu hören … Poppys Stimme … und egal, wie sehr Amelia sie ausblenden wollte, redete sie beharrlich auf sie ein.
    »Amelia. Amelia!«
    Sie stützte sich auf den Ellbogen, blind und verwirrt vom plötzlichen Erwachen. Poppy saß auf der Bettkante.
    »Was ist los?«, murmelte Amelia schlaftrunken und schob sich eine widerspenstige Locke aus der Stirn.
    Anfangs konnte sie Poppys Gesicht nur schemenhaft ausmachen, doch Amelias Augen gewöhnten sich rasch an die Lichtverhältnisse, und schließlich schälte sich ihre Schwester aus der Dunkelheit.
    »Ich rieche Rauch«, sagte Poppy.
    Diese drei Worte wurden nie leichtfertig ausgesprochen und bedurften einer gründlichen Überprüfung. Feuer war eine allgegenwärtige Gefahr, egal wo man lebte. Eine umgestoßene Kerze, eine unachtsam aufgestellte Lampe, ein Funke aus den glühenden Kohlen des Kamins genügten, um einen Brand zu entfachen. Und ein Feuer in einem alten Haus wie diesem käme einer Katastrophe gleich.
    Hastig sprang Amelia aus den

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