Pfand der Leidenschaft
sie stünden völlig mittellos da.
Während Amelia Merripen beobachtete, wie er im düster schimmernden Mondlicht erst das Pferd und dann die Kutsche aus den Stallungen brachte, spürte sie eine Welle der Dankbarkeit in sich aufsteigen. Was würden sie nur ohne ihn tun? Als ihr Vater den obdachlosen Jungen vor so vielen Jahren aufgenommen hatte, war es den Bewohnern von Primrose Place wie ein Akt der Nächstenliebe vorgekommen. Aber
Merripen hatte es den Hathaways mit seiner ruhigen, zuverlässigen Art tausendfach vergolten. Amelia hatte nie verstanden, warum er bei ihnen blieb – allein die Hathaways schienen von der stillschweigenden Abmachung zu profitieren.
In der Zwischenzeit eilten bereits die ersten Menschen zur Hilfe, einige vom Dorf, andere aus Stony Cross Manor. Die Dorfbewohner hatten einen Wagen mit einer Handpumpe mitgebracht, der von einem kräftigen Pferd gezogen wurde. Auf dem Karren befand sich ein großer Bottich, der in Schwerstarbeit mit Wasser aus dem Fluss gefüllt werden musste. Sobald mehrere Männer den großen hölzernen Hebel betätigten, würde das Wasser durch einen ledernen Schlauch und die metallene Düse schießen. Aber die Vorbereitungen waren mühsam, und das Feuer würde bereits unkontrolliert wüten. Die Handpumpe würde lediglich das Schlimmste verhindern, so dass mit ein wenig Glück ein Teil des Hauses gerettet werden konnte.
Amelia rannte den Dorfbewohnern entgegen und erklärte ihnen hastig den kürzesten Weg zum Fluss. Augenblicklich rannte eine Gruppe Männer in Begleitung von Merripen und mit Eimern bewaffnet zum Wasser.
Als sich Amelia umwandte, um zu ihren Schwestern zurückzueilen, prallte sie gegen eine große Gestalt. Keuchend spürte sie, wie sich ein vertrautes Paar Hände um sie legte.
»Christopher.« Erleichterung durchströmte sie, obwohl sie genau wusste, dass er nichts tun konnte, um ihr Zuhause zu retten. Sie hob den Kopf, um in seine gleichmäßigen Gesichtszüge zu blicken, die in ein hektisch flackerndes Licht getaucht waren.
Reflexartig zog er sie an sich und drückte ihren Kopf an seine Schulter. »Dem Himmel sei Dank, du bist unverletzt. Wie ist das Feuer ausgebrochen?«
»Ich weiß es nicht.« Amelia versteifte sich in seinen Armen und musste benommen daran denken, dass sie es nicht einmal in ihren kühnsten Träumen für möglich gehalten hätte, jemals wieder von ihm berührt zu werden. Die Erinnerung an ihre gemeinsame Zeit stieg in ihr auf, die unzähligen Male, da sie sich an ihn gekuschelt und seine Umarmung ihr Sicherheit gegeben hatte. Doch als sie sich seinen Betrug ins Gedächtnis rief, drückte sie sich vehement von ihm weg und schob sich das Haar aus den Augen.
Widerstrebend ließ Christopher sie los. »Bleib vom Haus weg! Ich werde bei der Handpumpe helfen.«
Eine weitere Stimme ertönte aus der Dunkelheit. »Hier wärt Ihr von größerer Hilfe.«
Amelia und Christopher drehten sich erschrocken um, denn die Stimme schien wie aus dem Nichts aufgetaucht zu sein. Mit seiner dunklen Kleidung und dem schwarzen Haar hatte sich Cam Rohan wie ein Schatten aus der Nacht gelöst.
»Verdammt nochmal!«, fluchte Christopher. »Man kann Euch kaum sehen, so dunkel seid Ihr.«
Obwohl die Worte darauf abzielten, Rohan zu verletzen, ließen sie ihn kalt. Prüfend glitt sein Blick über Amelia. »Seid Ihr verletzt?«
»Nein, aber das Haus …« Ein Schluchzen entrang sich ihrer Kehle.
Cam streifte rasch seinen Mantel ab und legte ihn ihr um die Schultern. Die Wolle war köstlich warm, und ein tröstlicher, männlicher Duft umfing Amelia. »Wir werden sehen, was wir tun können.« Er winkte
Christopher Frost zu sich. »Zwei Kanister stehen neben der Treppe. Ihr könnt mir helfen, sie hineinzutragen.«
Amelia riss verwundert die Augen auf, als sie zwei riesige Metallbehälter bemerkte. »Was ist das?«
»Eine Erfindung von Captain Swansea. Die Kanister sind mit einer Lösung aus Pottasche gefüllt. Wir werden sie benutzen, um die Ausbreitung des Feuers einzudämmen, bis die Wasserpumpe eingesetzt werden kann.« Rohan bedachte Christopher Frost mit einem abschätzigen Blick. »Da Swansea zum Tragen zu alt ist, werde ich einen nehmen und Ihr den anderen.«
Amelia kannte Christopher gut genug, um zu wissen, wie sehr er es hasste, Befehle entgegenzunehmen – und noch dazu von einem Mann, dem er sich überlegen fühlte. Aber überrascht musste sie feststellen, dass er Cam Rohan ohne Widerworte folgte.
Vierzehntes Kapitel
Amelia beobachtete,
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