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Pfand der Leidenschaft

Titel: Pfand der Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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Kissen und suchte am Bettende nach der Box mit den Hausschuhen, wobei sie sich den Zeh anschlug und fluchend aufund abhüpfte.
    »Ich hol sie dir.« Poppy hob den Blechdeckel der Box auf und holte die Pantoffeln heraus, während sich Amelia einen Schal schnappte.
    Die beiden Schwestern hielten sich an den Händen und bahnten sich schnellstmöglich einen Weg durch
die Dunkelheit. Als sie den oberen Treppenabsatz erreichten, schnupperte Amelia in die Luft, konnte jedoch nichts weiter als die vertraute Mischung aus Seifenduft, Wachs, Staub und Lampenöl ausmachen. »Ich rieche nichts.«
    »Deine Nase ist noch nicht wach. Versuch es erneut.«
    Jetzt erhaschte Amelia tatsächlich einen Hauch nach etwas Verbranntem. Ein panischer Schreck durchzuckte sie, und ihre Gedanken glitten jäh zu Leo, der allein mit der Laterne, der Kerze und dem Öl zurückgeblieben war … und augenblicklich wusste sie, was geschehen war.
    »Merripen!« Ihr gellender Schrei ließ Poppy zusammenfahren. Amelia packte ihre Schwester am Arm. »Hol Merripen! Weck jeden! Mach so viel Lärm wie möglich!«
    Poppy kam ihrem Befehl auf der Stelle nach und huschte zu den Schlafzimmern ihrer Geschwister, während Amelia nach unten hastete. Ein dumpfer Lichtschein drang aus dem Salon, ein unheilvolles Flackern unter der Tür.
    »Leo!« Sie riss die Tür auf und erschauderte, als eine siedend heiße Druckwelle ihren Körper erreichte. Eine Wand hatte Feuer gefangen, und Flammen kräuselten sich wie glühende Tentakel zur Decke. Durch einen dichten, scharfen Rauchschleier sah Amelia den verschwommenen Umriss ihres zusammengesackten Bruders auf dem Fußboden. Sie rannte zu ihm, packte ihn am Hemd und zerrte so fest daran, dass der Stoff an den Nähten riss. »Leo, steh auf, steh sofort auf!« Aber ihr Bruder war bewusstlos.
    Verzweifelt schrie sie ihn an, versuchte erfolglos,
ihn aufzuwecken und aus den Flammen zu retten. Wutentbrannte Tränen schossen ihr in die Augen, die bereits vom Rauch tränten. Doch dann war Merripen an ihrer Seite und schob sie nicht gerade sanft aus dem Weg, bevor er sich bückte, Leo hochhievte und sich ihn mit einem lauten Stöhnen über die Schulter warf. »Folg mir!«, befahl er Amelia schroff. »Die Mädchen sind schon draußen.«
    »Ich komme sofort nach. Ich muss nur noch kurz in mein Zimmer und ein paar Dinge holen.«
    Er funkelte sie finster an. »Nein.«
    »Aber wir haben nichts zum Anziehen … alles wird in Flammen …«
    »Raus!«
    Da Merripen in all den Jahren, die Amelia ihn nun kannte, noch nie laut geworden war, überrumpelte sie sein Auftreten derart, dass sie ihm aufs Wort gehorchte. Ihre Augen brannten und tränten sogar noch, als sie längst aus der Haustür getaumelt und in die Dunkelheit der Kiesauffahrt eingetaucht waren. Win und Poppy waren dort und stürzten sich sofort auf Leo, um ihn mit aller Gewalt zu wecken. Wie Amelia selbst, trugen die Mädchen lediglich ihre Nachthemden am Leib, einen Schal und Hausschuhe.
    »Wo ist Beatrix?«, erkundigte sich Amelia besorgt. Im selben Moment läutete die Gutsglocke, und ihr heller, durchdringender Ton hallte in alle Richtungen.
    »Ich habe sie gebeten, den Alarm auszulösen«, sagte Win. Der Lärm würde ihre Nachbarn und die Dorfbewohner zur Hilfe holen, auch wenn Ramsay House längst in Schutt und Asche liegen würde, wenn sie endlich einträfen.

    Vorsorglich eilte Merripen zum Stall und brachte das Pferd in Sicherheit.
    »Was ist geschehen?«, hörte Amelia ihren Bruder heiser fragen. Bevor jemand eine Antwort geben konnte, wurde er von einem quälenden Hustenreiz gebeutelt. Win und Poppy blieben bei Leo und redeten sanft auf ihn ein. Amelia hingegen entfernte sich einige Meter von ihnen und zog den Schal fester um die Schultern.
    Verbitterung, Wut und Angst stiegen in ihr auf. Für sie stand außer Frage, dass Leo für das Feuer verantwortlich war, das Haus zerstört und sie beinahe alle in den Tod gerissen hatte. Es würde noch eine Weile dauern, bis sie sich so weit im Griff hatte, dass sie wieder mit ihm reden konnte – ihrem Bruder, den sie einst so abgöttisch geliebt und der sich in einen Fremden verwandelt hatte.
    Zu diesem Zeitpunkt gab es kaum noch liebenswerte Eigenschaften an Leo. Bestenfalls war er ein bemitleidenswertes Geschöpf, schlimmstenfalls stellte er eine Gefahr für sich selbst und seine Familie dar. Es ginge ihnen allen besser ohne ihn, dachte Amelia betrübt. Doch wenn er sterben sollte, würde ein ferner Verwandter den Titel erben, und

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