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Pfarrers Kinder Muellers Vieh

Pfarrers Kinder Muellers Vieh

Titel: Pfarrers Kinder Muellers Vieh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amei Müller
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Missionare aller Schattierungen kennengelernt. Fanatische und betuliche, eingebildete und bescheidene, höfliche und unverschämte. Sie kamen, die Gemeinde zu bekehren und wohnten dazu eine Woche lang bei uns im Pfarrhaus. Einmal mußte ich sogar aus meinem Zimmer ziehen, um es dem Missionar zu überlassen. Er schlief in meinem Bett! Er saß an meinem Schreibtisch! Er blätterte in meinen Büchern, was ich ihm nicht erlaubt hatte. Er wühlte in meinen Schubladen, was eine Frechheit war, und er teilte mir schließlich mit, daß er an meiner Wand ein frommes Bild schmerzlich vermisse. Ich vermißte mein Zimmer auch sehr! Ich mußte auf Beates Couch liegen und mir jeden Abend anhören, welcher Mann ihr wiederum gestanden habe, daß er ohne sie nicht länger leben könne. In der dritten Nacht erhörte der Pierr mein Gebet und ließ das Bett unter dem Missionar zusammenbrechen. Der aber nahm es nicht aus Gottes Hand, sondern machte ein fürchterliches Theater, kniete im flanellenen Schlafanzug vor der Bettruine und jammerte, er habe sich eine Rippe gebrochen. Dabei hatte er am Abend in der Evangelisation die Leute aufgefordert, ihr Kreuz freudig auf sich zu nehmen und dem Herrn im Leiden nachzufolgen. Nun zeterte er wegen eines Kreuzes, das ich schon hundertmal unbeschadet auf mich genommen hatte. In Wahrheit mochte er mich nicht leiden, was übrigens auf Gegenseitigkeit beruhte. Jeden Morgen vor der Schule tapste ich leise ins Zimmer, weil ich leider vergessen hatte, am Abend vorher frische Wäsche aus der Kommode zu holen. Er fuhr aus dem Bett hoch, starrte mich aus verschlafenen Augen an und konnte nicht verstehen, daß ich rein gar nichts von ihm wollte, sondern nur nach frischer Wäsche suchte.
    Nach dem Zusammenbruch weigerte er sich, weiterhin in meinem gefährlichen Bett zu schlafen. Er zog um in Beates Zimmer und durfte die Nächte auf ihrer weichen Couch verbringen. Beate allerdings mußte ausziehen. Sie tat dies unter heftigem Protestgeschrei, aber es half ihr nichts! Eine Evangelisation lang lag sie bei Gitti im Zimmer, welche an ihren Liebesgeschichten überhaupt kein Interesse hatte. Ich aber nahm wieder Besitz von meinem Eigentum und warf die Schlappen des Missionars und was er sonst noch bei mir vergessen hatte, zum Fenster hinaus. Bei dieser Evangelisation bekehrte ich mich nicht.
    Schon als Kind bemerkte ich mit Schrecken, daß die Missionare tagsüber und abends ganz verschiedene Menschen waren. Bei uns im Haus machten sie Witze, latschten grämlich herum und ließen sich bedienen. In der Kirche aber donnerten sie wortgewaltig von der Kanzel und übten eine solche Anziehungskraft aus, daß ich mir vorkam wie das einzige menschliche Wesen unter lauter Kaninchen, die eine Schlange anstarren. Mein Vater blieb für mich immer der Gleiche, ob er im Talar predigte, sich im Schlafanzug rasierte oder mit uns zu Mittag aß.
    Während dieser Evangelisationen fand jeden Abend ein Vortrag statt. Nachmittags wurden Bibelstunden gehalten. Themen waren die Abrahamsgeschichten oder irgendein Brief des Apostels Paulus, Petrus oder jakobus. Es war natürlich selbstverständlich, daß wir Pfarrerskinder an all diesen Veranstaltungen teilnahmen. Zu den Abendvorträgen strömten wahre Menschenmassen in die Kirche. Wir mußten noch Stühle herbeischleppen, damit alle Bekehrungswilligen sitzen konnten. Ich betrachtete die Anwesenden mit unfreundlichen Blicken. Warum liefen sie alle zu dem fremden Mann und himmelten ihn an, als ob er der Herr Jesus persönlich wäre? Warum kamen sie am Sonntag nicht zu den Gottesdiensten meines Vaters, der auch nicht schlechter predigte und aufjeden Fall besser aussah als dieser Mensch?
    »Ihr solltet ihn mal bei euch zu Hause haben!« dachte ich grimmig. »Ihr solltet mit anhören, wie er beim Essen schmatzt und immerzu redet und keinen anderen zu Wort kommen läßt! Ihr solltet miterleben, wie er das Badezimmer hinterläßt! Dann würden euch die Augen schon aufgehen und ihr wäret froh, ihr hättet solch eine Perle wie meinen Vater!«
    Nach den Vorträgen strebten die Zuhörer scharenweise zur Sakristei, um mit dem Gottesmann zu sprechen. Strahlenden Auges traten sie nach einer Weile wieder herfür und hatten eine Bekehrung erlebt. Wurde die Zeit am Abend zu knapp, dann kamen die reuigen Sünder vormittags oder nach der Bibelstunde zu uns ins Pfarrhaus. Sie saßen dann mit dem Missionar in Vatis Studierzimmer. Vati machte in der Zeit Krankenbesuche oder arbeitete im Garten. Oft brachten die

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