Pfarrers Kinder Muellers Vieh
Peitsche drohend erhoben.
»Luad’r elends! Wart, wenn i di verwisch!«
Hatte sie genug Vorsprung gewonnen, wandte sie sich um und keifte herzhaft zurück. Es war eine lautstarke Auseinandersetzung. Hinter den Gardinen verborgen betrachteten wir und die anderen Dorfbewohner diese Familientragödie. Spätestens zur Melkzeit am nächsten Abend erschien die mißratene Tochter wieder auf dem elterlichen Hof und wurde von ihrem Vater in Gnaden aufgenommen. Denn bot ihr Lebenswandel auch manchen Grund zum Tadel, schaffen konnte sie wie keine andere.
Nach einem besonders lärmendem Hinausschmiß raffte sich Manfred auf, ein ernstes Wort mit Bauer Öchsle zu sprechen.
»Herr Öchsle, das ganze Dorf hört Ihren Streit, meinen Sie, das ist angenehm für Ihre Tochter?«
»Des isch mir doch wurscht, ob des für di agnehm isch! Die Leit sollets ruhig here, wie di mir’s macht, ond daß i net eiverschtande ben on a aständigs Haus han!«
»Aber Herr Öchsle, es ist Ihre Pflicht als Christ...«
»O, dent Se net so heilig, Herr Pfarrer!« schrie der erboste Vater, »Ihr Pfarrer sen au Mannsleit, on was für welle! Da ko i a Liadle senge! Wo i a kloiner Bua war, do hent mer hier en Pfarrer ghet!«
Und nun erzählte er von einem unserer Vorgänger, der ein schlimmer Filou gewesen sei. Kaum aus der Kirche gekommen, sei er gleich ins Chaisle gesessen, um zu seinen Weibsbildern zu fahren. Abends hätte er im Wirtshaus gehockt und gesoffen, wogegen er persönlich nichts habe, aber dann hätte dieser Pfarrer auch Karten gespielt und so oft gewonnen, daß es nicht mit rechten Dingen zugegangen sei! Dieser Pfarrer — wenigstens ein Ehrlicher unter all den Heuchlern—hätte schließlich seinen Talar an den Nagel gehängt und wäre Kohlenhändler geworden. Nach diesem Berufswechsel hätte er die bemerkenswerten Worte gesprochen: »Früher war ich innerlich schwarz, jetzt bin ich es nur noch äußerlich!«
»On der Kerle mit denne Schnecke? Herr Pfarrer, was haltet Se von dem? Em Konfirmandeunterricht, do hot er mit de Konfirmande Schnecke gsuacht, anstatt dene de Glaube beizubrenge! Un no hot er die Schnecke fir deiers Geld verkauft! — On a Tochter hot er ghet! Herr Pfarrer, des war vielleicht a Luader! Wenn i a Pfarrer war, i det mi en Grundsbode nei scheine, wenn i so a Dochter hett! Koi Menscheseel kennt i meh agucke! Des derf eme Pfarrer net bassiere. Die Pfarrerskinder sottet a Vorbild sei un koi Astoß! Was wellet Se bei mir sage, wenn’s net amol beim Pfarrer schtemmt!«
Manfred kam nach Hause. Die Haustür knallte, die Wohnungstür, dann stand er bei mir in der Küche.
»Na, was ist? Hast du ihm die Meinung gesagt?«
»Ich ihm? Ach, du lieber Himmel!«
»Ich hab eine Freudenbotschaft für dich: Wir bekommen eine Tochter!«
»Eine Tochter? Wieso?«
»Die Mesnerin hat gesagt, wenn’s einem so fürchterlich schlecht ist wie mir, dann wird’s ein Mädchen. Du hast dir doch immer eine Tochter gewünscht, bist du jetzt wieder vergnügt?«
»Ja, sehr vergnügt«, sagte er und verschwand in seinem Zimmer.
Hinter der Kirche wohnte ein Ehepaar. Sie kratzbürstig und leidenschaftlich, er friedlich und langweilig. Einmal im Monat aber trank er sich Mut an, wurde nach dem Genuß von fünf Flaschen Bier und den dazugehörigen Schnäpsen zum rasenden Liebhaber, ergriff ein Beil und gedachte, sich mit seiner Hilfe einen Platz im ehelichen Bett zu erzwingen. Laut schreiend floh die Frau zu uns herüber und bat um Asyl für die Nacht. Als sie das erste Mal bei uns erschien, wollte Manfred hinüber gehen und allein durch die Kraft seiner Persönlichkeit den tobenden Mann zur Ruhe bringen. Ich aber hielt die Haustüre zu und schrie, daß ich ihn nicht hinausließe, denn wenn er mich schon zur Witwe machen wolle, dann dürfe er dies nur über meine Leiche tun. »Ich bin enttäuscht!« riefich, »daß du auch zu den dummen Helden gehörst, die sich mit bloßen Händen einem Beil entgegen werfen!«
Nun ließ sich zum Glück die Frau vernehmen und stieß unter vielen Schluchzern hervor, der Herr Pfarrer solle ihren Mann lieber in Ruhe lassen, denn mit Alkohol im Blut und dem Beil in der Hand wäre ihm alles zuzutrauen. Morgen, wenn er seinen Rausch ausgeschlafen hätte, wäre er wieder der langweiligste Mensch von der Welt. Sie seufzte.
»‘S isch zom Heule! Do benemmt er sich oimol wie a rechter Ma, un no will er mi vorher he mache, der Sempl!« Nein, in eine Oase des Friedens waren wir nicht geraten. Man zankte sich in Weiden.
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