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Pfarrers Kinder Muellers Vieh

Pfarrers Kinder Muellers Vieh

Titel: Pfarrers Kinder Muellers Vieh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amei Müller
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noch lange nicht zu erwarten war. Der Organist klapperte noch ein Weilchen mit den Tasten, dann gab er auf. Nicht so der wackere Kirchenpfleger! Er winkte den Mesnerjungen herbei, und beide verschwanden in dem Kämmerchen hinter den Orgelpfeifen, wo man früher die Bälge getreten hatte. Luft strömte in die Orgel, wir hörten es pfeifen und keuchen. Das Pfeifen besorgte der alte Blasebalg, das Keuchen der dicke Kirchenpfleger. Er stand auf dem einen Hebel und drückte ihn mit dem beträchtlichen Gewicht seines Körpers nach unten. Auf dem anderen schwebte der Mesnerjunge in die Höhe und bemühte sich, es dem gewichtigen Partner gleichzutun. Trat der Kirchenpfleger seinen Hebel herunter, so brauste die Orgel gewaltig von all der vielen Luft, die in sie strömte. War der Mesnerjunge an der Reihe, so kamen nur leise zitternde Töne aus dem Instrument, denn das schmächtige Bürschlein brachte den Hebel nur mühsam, Zentimeter um Zentimer hinunter. So kam eine seltsam ungleichmäßige Orgelbegleitung zustande, der sich die Gemeinde aber bald anpaßte. Man sang die eine Zeile laut, die andere leise. Dies alles, dem Herrn zur Ehre und dem Poppele zum Spott, denn es war sonnenklar, daß sich der leidige Kirchengeist in den Orgelmotor geklemmt hatte, um die sonntägliche Feier zu stören. Bei späterer Besichtigung des Motors stellte sich allerdings heraus, daß eine Schwalbe begonnen hatte, ihr Nest darin zu bauen. Sie hatte fleißig Federn und Hölzer herbeigeschleppt und damit schließlich das Getriebe zum Stillstand gebracht.
    »Mir könnet se nix verzähle«, sagte die alte Mesnerin, »natürlich isch des Poppele schuld. Wie kommt denn sonscht des Tierle in die Kirch nei?! Ich mach doch nie a Fenschter uff!« Das glaubte ich ihr sofort, die Luft in der Kirche war danach.
    Abends, wenn Manfred in den Filialen Bibelstunde hielt, und ich allein zu Hause saß, jagte mir der Gedanke an das Poppele Angstschauer über den Rücken. Wie nun, wenn es dem Gespenst in der Kiche zu langweilig wurde, und es Lust verspürte, dem Pfarrhaus einen Besuch abzustatten? Für einen so umtriebigen Geist lag unser Haus ja nur einen winzigen Sprung entfernt. Ach, wie oft hatte ich in meinem Unverstand über das Poppele gelacht und gespottet — allerdings nur bei hcllichtem Tag!
    »Wenn ich ein Geist wäre«, so dachte ich schaudernd, »dann würde ich mich jetzt mal ordentlich erschrecken!« Aber das Poppele schien andere Gedanken zu hegen, jedenfalls blieb mir sein Anblick erspart.
    Was hatte ich mich in meinem Leben schon vor Gespenstern gefürchtet! Die polnischen Mädchen erzählten so grauenvolle Spukgeschichten, daß ich nächtelang nicht schlafen konnte.
    »Mach, daß du im Bett kommst!« hatte Else geflüstert, »sonst holt dir der Deubel persönlich. Ich hab ihm schon jesehen hier bei uns und in der Kerch. Da treibt er sich rum, kannscht mers jloben!«

Ein grüner Bernhardiner und eine Radikalkur

    Gespenster in alten Pfarrhäusern! Großmama hatte da so einiges mitgemacht! Natürlich war sie durch ihre Frömmigkeit den bösen Geistern überlegen, trotzdem hatte sie manche bange Nachtstunde im Gebet durchwacht, bis der endgültige Sieg errungen war!
    Da gab es den seligen Pfarrurgroßvater, in dessen Studierstube es nachts immer so grauslig scharrte und rumorte. Durch das Schlüsselloch sah er, wie sich die uralten Schubladen des uralten Schreibtisches auf und zu bewegten, wie unsichtbare Hände darin kramten und räumten. Er hörte herzerschütterndes Wehklagen und beschloß zu helfen. Am nächsten Morgen zerlegte er den uralten Schreibtisch und siehe da, er fand ein Geheimfach, ganz versteckt, und viel uraltes Geld darin. Der Urgroßvater erkannte sofort, daß ein irregeleiteter Vorfahre kirchliche Gelder veruntreut und diese in dem Geheimfach versteckt habe. Zur Strafe für die böse Tat, so schloß der Urgroßvater weiter, müsse der arme Geist in alle Ewigkeit nach diesem Gelde suchen. Welches Glück für das Gespenst, daß sein Schreibtisch nun im Studierzimmer eines so wackeren Menschen stand! Der Urgroßvater verteilte das Geld an die Armen, hörte in der Nacht einen seligen Seufzer der Erleichterung und blieb für alle Zeit von dem Geist verschont.
    Zu meiner Freude ließ Manfred seinen Schreibtisch vom Schreiner machen, aus neuem Holz und frischen Nägeln. Kein unglücklicher Geist würde an diesem Möbelstück herumkratzen. Aber die alten Schränke unten in der Registratur waren mir von Anfang an unheimlich und blieben

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