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Pfarrers Kinder Muellers Vieh

Pfarrers Kinder Muellers Vieh

Titel: Pfarrers Kinder Muellers Vieh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amei Müller
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schwebte der Geist durch geschlossene Türen bis hinunter in den Keller. Er winkte mit bleichem Finger und Großmama, die Unerschrockene, folgte seinem Wink. Er scharrte die Kartoffeln im Keller beiseite, er versuchte den Lehmboden aufzukratzen, er stöhnte herzerweichend und sah Großmama aus schwarzen Augenhöhlen flehend an. Großmama wußte, was zu tun sei, schließlich kannte sie die Geschichte des seligen Ahnen. Noch in derselben Nacht grub sie im Keller ein Loch und forderte die bleichen Knöchelchen eines Kindleins zutage. Die weiße Frau verschwand, auch hier wieder mit glücklichem Seufzen. Die Knochen wurden am anderen Tag mit kirchlichen Ehren im Friedhof bestattet. So erzählte Großmama, und ihre Geschichten zu bezweifeln wäre mir nicht im Traum eingefallen. Ich beneidete meine Ahnen um ihre Gewandtheit im Umgang mit Geistern, hoffte aber von Herzen, daß kein Geist auf den Gedanken käme, mich mit seinen Schwierigkeiten zu behelligen. Von meiner Seite konnte ihm keinerlei Hilfe zuteil werden. Wie weiland Lots Weib würde ich zur Salzsäule erstarren oder von einer Ohnmacht in die andere fallen.
    Als junges Mädchen gedachte ich meine diesbezüglichen Ängste durch eine Radikalkur abzubauen. Nach dem Motto »Was mich nicht umbringt, macht mich stark«, verlegte ich die tägliche Orgelübstunde in die Nacht.
    »Was, jetzt willste noch orjeln?« fragte Else, als ich mit meinem Notenpaket durch die Küche ging. »Jetzt, bei stockduschtrer Nacht? Biste vollends varrickt jeworden?«
    »In der Nacht stört mich niemand!«
    »Daß de dir nicht täuscht! Paß nur uff, daß de wieder heil aus die Kirche kommst!«
    Ich umklammerte die Noten und stolperte durch den Friedhof der Kirche zu. Weiß leuchteten die Grabsteine aus der Finsternis. Mir grauste vor meinem eigenen Mut. Der Schlüssel zur Kirchentür fiel mir aus den zitternden Händen. Endlich steckte er im Schloß, drehte sich kreischend. Ein Käuzchen schrie, die Türe knarrte. »Kein Licht anmachen!« befahl ich mir und tappte durch die dunkle Kirche. Vor dem Altar blieb ich stehen, um ein Gebet zu verrichten. Schwarz stand das Kreuz vor den hellen Fenstern. Mich packte namenloses Grauen. Ich rannte den Mittelgang entlang, die Wendeltreppe hoch und warf mich auf die Orgelbank. Mit letzter Kraft drückte ich auf den Lichtschalter. Nun lag wenigstens die Orgel in warmem Licht, eine kleine Insel in pechschwarzer Finsternis. »Hier in der Kirche kann dir nichts passieren« so sprach mein Verstand, »dies ist Gottes Wohnung. Hier gibt es nur gute Geister und keine bösen!« Aber, wie ich mich auch mühte, Fassung zu bewahren, ich fürchtete mich vor den guten Geistern nicht weniger als vor den schlechten. Die Pedale unter meinen Füßen klapperten mit den Zähnen um die Wette, die schweißnassen Finger rutschten von den Tasten. Erst spielte ich leise, um kein Geräusch zu überhören. Es knarrte dort, es krachte hier. Meine Augen waren überall, nur nicht auf dem Notenblatt. Schließlich war ich es leid, zog alle Register und spielte mit vollem Werk. Es dröhnte und brauste. »Kommt her, ihr Geister! Wenn ich schon in der Falle sitze, will ich wenigstens in >Fortissimo< sterben!
    Sie kamen. Ich hörte eine Türe knallen, Schreie im Kirchenschiff, Licht, das sich auf mich zu bewegte. Ich spielte: »Komm süßer Tod...« und hoffte, er werde mich so schnell ereilen, daß ich keinen Geist von Angesicht zu Angesicht sehen müsse. Da trat er aus dem Dunkel in meinen Lichtkreis, Mund weit aufgerissen, Haare gesträubt. »Hör auf zu lärmen!« schrie der Kirchendiener, »das erlaub ich nicht, auch wenn du die Pfarrerstochter bist! Was fällt dir ein, in der Nacht auf der Orgel rumzutoben! Verrücktes Huhn!«
    Ein Wesen von dieser Welt, wenn auch ein zorniges, mir war es lieber als die herrlichste Engelserscheinung.
    »Herr Wankelmann, ich hab mich so gefürchtet!«
    »Wieso? Vor wem? Ist sonst noch jemand hier?« er hob die Taschenlampe. Ich packte eilends die Noten zusammen, stellte den Motor ab und rutschte von der Orgelbank. »Gehn wir!« In seiner knurrenden Gegenwart verschwanden alle Schrecknisse. Wir stiegen die Treppe hinunter, er schimpfte und murrte, ich tappte dankbar neben ihm her durch das Kirchenschiff hinaus ins Freie.
    »Mach das nicht noch einmal!« sagte er, »ihr Pfarrerskinder bringt mich noch ins Grab!«
    Recht hatte er, ich senkte schuldbewußt das Haupt. Christoph mußte er vom Kirchendach herunterholen. Gitti klebte Kaugummi unter die

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