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Pfarrers Kinder Muellers Vieh

Pfarrers Kinder Muellers Vieh

Titel: Pfarrers Kinder Muellers Vieh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amei Müller
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waren wir vollauf damit beschäftigt, uns die Meinung zu sagen. Erst als der Dampf den Deckel hob, sanken wir uns versöhnt in die Arme. Glücklich vereint luden wir das große Mostfaß vom Leiterwagen und schleppten es an den Ort unseres Wirkens. Ich wusch Flaschen. Manfred steckte einen Schlauch in die Öffnung des Fasses und saugte daran. Als Saft kam, nahm er den Schlauch aus seinem Mund, schrie nach einer Flasche, spritzte mir Saft ins Gesicht und hielt das mostsprudelnde Schlauchende in einen Flaschenhals. Wir wateten im Most. Wir klebten von den Füßen bis zu den Haaren. Als es Manfred schlecht wurde, mußte ich saugen. Hundert Flaschen hatten wir schon in dem großen Kessel eingekocht und immer noch sprudelte Most aus dem Faß.
    Da klingelte es. Die Pfarrfamilie vom Nachbarort kam auf Besuch. Zwei Erwachsene und zwei Kinder. Ich klebte meine Mosthand an die ihre und sagte, daß ich mich freue. Auch Manfred erschien mit bleichem Gesicht und nassem Overall. Wir nötigten die Gäste, einzutreten und boten als Willkommenstrunk frischen Süßmost an. Sie tranken und waren begeistert. Die Kinder schütteten den Most auf unsere guten Polstermöbel, und die Eltern sagten, daß wir doch einen rechten Segen an unserem Birnbaum hätten. Da gaben wir ihnen zwei große Kannen als Abschiedsgeschenk mit. Sie bedankten sich sehr und hatten bei der Heimfahrt viel Ärger. Die Kannen schwappten über, das Auto klebte, und die ganze Familie mußte hinterher baden, obwohl nicht Samstag war.
    Nach der kurzen Erholungspause schleppten wir uns wieder in die Waschküche, um weiter zu mosten. Aber siehe da, das Faß war leer. Wir hatten vergessen, den Schlauch aus dem Spundloch zu ziehen. Der Most war ins Abflußloch geflossen, wir weinten ihm keine Träne nach.
    Im Sommer, noch bevor uns der Birnbaum mit seinem Segen beglückte, kauften wir im Städtchen Gartengeräte: Hacke, Spaten, Rechen und eine funkelnde Sense. Als wir mit diesen sperrigen Errungenschaften durch das Dorf fuhren, sahen uns unsere Gemeindeglieder wohlgefällig nach. »‘S Pfarrers wollet schaffe!«
    Früh im Morgengrauen stand Manfred auf und mähte im Obstgarten die Wiese. Die Gräser standen so hoch, daß seine Sense sausend in einen Stachelbeerbusch fuhr. Er schimpfte, weil die Sense verbogen war, die Zuschauer am Gartenzaun aber lachten und klatschten in die Hände. »Gell, Herr Pfarrer, jetzt sott mer fluche könne?« meinte der Nachbar. Manfred knirschte mit den Zähnen und mähte verbissen weiter. Als das Werk vollendet war, hielt er mir schweigend seine Hände hin. Sie waren voller Blasen. »Ach, du Armer! Tut’s weh?« fragte ich.
    »Die Hände sind nicht so schlimm«, sagte er grimmig, »aber daß die Leute mich ausgelacht haben, das ärgert mich!« Dann zeigte er mir die Reichtümer, die in der Wiese versteckt gelegen hatten. Da gab es einen verrotteten Sandkästen, »ich baue einen neuen für unsere Kinder«, sagte Manfred. Da waren Maulwurfshaufen und Mauselöcher in stattlicher Anzahl, aber auch einige Beerenbüsche. Viele Früchte hingen nicht daran, aber wir würden sie schneiden und düngen, und im nächsten Jahr durch eine gute Ernte belohnt werden, so hofften wir.
    Unter dem Birnbaum, in einem Haselnußgebüsch stand eine kleine verfallene Holzlaube. Die Kinder des Vorgängers hatten sie offensichtlich als Räuberhöhle benützt. Altes Gerümpel lag herum, halbvermoderte Säcke und Kleidungsstücke. In der Mitte stand ein steinerner Tisch. Mir gefiel diese Laube, Manfred fand sie scheußlich. Ich malte ihm aus, wie romantisch es sein würde, hier Kaffee zu trinken.
    »Hier trinke ich nie Kaffee«, sagte er, »ja, riechst du denn nichts?«
    Hinter dem Zaun begann Nachbars Hühnerauslauf, es stank. Die Hühner hätten mir nichts ausgemacht, aber über den Tisch kroch eine dicke behaarte Raupe. Ich schüttelte mich vor Entsetzen.
    »Pickdewick, eine Raupe!« — Der Raupenbaum. — Großmamas Raupe. — »Manfred, mir wird schlecht«, sagte ich und Heß mich ins Gras fallen — »bitte tu die Raupe weg!« — Ich sah den Bromberger Garten vor mir:
    Michael und Beate hatten sich in der großen Trauerweide einen Sitz eingerichtet. Da saßen sie oben, baumelten mit den Beinen und lachten mich aus.
    »Komm rauf, Pickdewick!« riefen sie. Ich stand unten auf den Zehenspitzen und versuchte, mit den Händen den untersten Ast zu erreichen. Es ging nicht, ich war zu klein und zu ungeschickt. Es war immer dasselbe, sie saßen oben, ich stand unten. Ich

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