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Pfarrers Kinder Muellers Vieh

Pfarrers Kinder Muellers Vieh

Titel: Pfarrers Kinder Muellers Vieh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amei Müller
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weinte vor Wut. Dann holte ich einen Hocker und stieg hinauf. Jetzt konnte ich den ersten Ast erreichen. Das andere war ein Kinderspiel, gleich würde ich bei ihnen sein.
    »Pickdewick, eine Raupe!« schrie Michael. Der Hocker fiel um. Ich hing am Ast und fühlte, wie die Raupe über meinen Arm kroch. Starr vor Entsetzen ließ ich los und lag unten. »Wie ein Mehlsack«, sagte Beate. Der Arm war gebrochen. Ich mußte zu dem Doktor, dem gräßlichen Doktor, der immer lachte und mir Kalkspritzen gab, weil ich Fingernägel kaute. Ich versuchte nie wieder den Hochsitz zu erklimmen.
    »Komm Pickdewick, wir steigen auf den Raupenbaum!« und »Pickdewick, paß auf, eine Raupe!« so riefen die beiden und lachten sich halbtot, wenn ich, wo ich ging und stand, zu Boden fiel.
    »Mach keine Geschichten!« sagte Manfred, »wem wird denn schon schlecht von einer harmlosen kleinen Raupe!«
    »Mir«, sagte ich und stand wieder auf. »Weißt du, ich hab da mal was erlebt...«
    In der anderen Ecke des Weidener Pfarrgartens gab es ein Fliedergebüsch. Es umrahmte ein hübsches kleines Fleckchen, in das niemand hineinsehen konnte und das, wenn der Flieder blühte, von den angenehmsten Düften erfüllt war. Hierhin schleppten wir zwei ausgediente Kirchenbänke und einen Gartentisch. Es sah recht wohnlich aus, wenn auch nicht so romantisch wie die kleine Laube. Kaffee tranken wir im Fliedergebüsch jedoch nur einmal. Wir kamen uns auf den langen Kirchenbänken ganz verloren vor. Für diesen harten Genuß lohnte es sich wirklich nicht, das ganze Kaffeegeschirr in den Garten zu tragen.
    Aber als wir an der Reihe waren, die Pfarrer der Umgebung zu uns zum Kaffee einzuladen, scheuerte ich Tisch und Bänke, breitete meine schönste Tafeldecke — von Mutti bestickt — über den Tisch und rannte viele Male vom Haus in den Garten, treppauf und treppab. Ich deckte so festlich, daß ich mich von dem Anblick der Tafel fast nicht losreißen konnte. Doch blieb mir keine Zeit zu ruhiger Betrachtung. Ich mußte Kaffee kochen und Brezeln mit Butter bestreichen. Den Kuchen brachten die Gäste selber mit, das war so Sitte. Jetzt, als Gastgeberin war ich froh darüber, nicht so als Gast. Dann fühlte ich mich genötigt, einen ganz besonders köstlichen Kuchen zu backen, und gerade das gelang mir meistens nicht. Da mußte ich denn mit wehem Herzen zuschauen, wie mein »Prachtstück« unberührt auf dem Tisch stand, während die Kuchen der anderen blitzschnell von den Platten verschwanden. Selbst mein eigener Mann bediente sich lieber mit fremden Kuchen. Hinterher rächte ich mich, indem ich den Kuchen bei den ahnungslosen Gastgebern stehenließ. Etwa nach einer Woche, wenn sich ihre Magenverstimmung gelegt hatte, bedankten sie sich grämlich für diese Gabe und brachten mir die Tortenplatte wieder.
    Unsere Gäste kamen. Es waren fünf Pfarrherren und die dazu gehörigen Gattinnen. Stolz trugen sie ihre Backwerke die Treppe hinauf. Ach so, der Kaffee sollte im Garten stattfinden. Was für eine gute Idee! Wirklich ganz reizend! Sie trugen die Kuchen wieder hinunter, die Brezeln auch und den Kaffee. Es war ein heißer Sommertag, aber die Laube lag im Halbschatten.
    »Was für ein schönes Plätzchen!« sagten die Gäste und zwängten sich auf die Kirchenbänke. Es war uns vorher nicht aufgefallen, daß die Bänke keinen guten Stand hatten. Die Erde im Gebüsch war weich, und als sich nun auf der einen Seite fünf Damen und auf der anderen fünf stattliche Herren niederließen, da kippte die Frauenbank nach vorn und die Herrenbank nach hinten.
    Die Damen ahnten sofort die Gefahr. Sie drückten sich am Tisch ab und rammten unter Kreischen und Lachen die Bank fest in die Erde. Nicht so die Herren. Sie räkelten sich genüßlich nach hinten und ehe sie überhaupt merkten, was vorging, schwebten ihre Beine bereits nach oben. Trotz heftigen Strampelns konnten sie keinen Boden mehr gewinnen und sanken unter Protestgeschrei nach hinten ins Fliedergebüsch. Ihr Fall war nicht gefährlich. Er ging langsam und ohne heftigen Stoß vor sich, aber der Fliederstrauch wurde sehr in Mitleidenschaft gezogen. Er streute Blüten und Blätter, Läuse und Ameisen auf unsere festliche Kaffeetafel. Unter dem schadenfrohen Gelächter ihrer Ehefrauen rappelten die Herren sich wieder hoch. Zum Glück waren sie nicht im schwarzen Berufsanzug, sondern trugen weltliche Kleidung, so daß sie sich freier bewegen konnten. »Man muß diese Bank unterlegen«, riet einer. So machten sie sich

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