Pfarrers Kinder Muellers Vieh
jederzeit eine Ratte anfallen und beißen konnte? Was überhaupt wollte ich ernten? Ratten fraßen doch alles, sicher würden sie meine köstlichen Pilze mit Hut und Stiel vertilgen!
»Laß fahren dahin!« sagte Manfred, »wir hätten sowieso nur wenig Gewinn gehabt.«
Ratten gäbe es im Pfarrhaus solange sie denken könne, belehrte uns die Mesnerin, es wären friedliche Tierchen, wenn man sie in Ruhe ließe. Alle unsere Vorgänger hätten sich nach anfänglichen Schwierigkeiten an sie gewöhnt, warum in aller Welt machten wir ein solches Geschrei?
»Weil ich Ratten nicht leiden mag!« schrie ich, »schon gar nicht die Ratten der Vorgänger! Sie müssen weg! Sie fressen Pilze und Kinder!«
»Oh je, ihr hent jo no koine«, sagte die Mesnerin, »aber wenn er se obedingt los sei wellet, no müeßter halt zerscht amol butze.«
»Jawohl, der Mist muß raus! Das ist meine Rede schon seit Tagen«, erklärte Manfred, »nun siehst du endlich, wohin das führt! Sonst ist der Keller sauber, da gibt’s nichts zu putzen.«
»Daß er euch do net deischet«, sagte die Mesnerin und verschwand.
Ich fand Manfreds Ausführungen gemein, jedenfalls was den mühsam zusammengekratzten Mist betraf, und ich sagte ihm das auch. Daß es im Keller nichts zu putzen gab, wußte ich. Er war absolut sauber. Der Boden bestand aus Lehm oder festem Erdreich, naß aufwischen konnte man also nicht. Weckgläser abzustauben hielt ich nicht für sinnvoll im Kampf gegen die Ratten. Die einzige Arbeit, die verbheb, war ein gründliches Fegen des Bodens.
Angetan mit Gummistiefeln, Gummihandschuhen und alten Hosen gingen wir daran, den Mist in den Garten zu schaffen. Das Rosenbeet nahm ihn dankbar auf. Manfred schimpfte über die Sauerei, ich über seine schlechte Laune und die Ratten. Ich hatte mir eine Trillerpfeife umgebunden. Sobald ich allein im Keller war, stieß ich schrille Pfeiftöne aus, um den Ratten kundzutun, daß hier jemand im Keller sei und daß sie sich in acht nehmen sollten. Der Mist war bald entfernt, aber die Ecke, in der er gelegen hatte, stank unvermindert weiter.
»Riech nur, was du angerichtet hast«, sagte Manfred grimmig, »wie kann ein denkender Mensch einen Misthaufen im Keller anlegen? Der ganze Boden ist durchgeweicht und vollgesogen mit Gülle. Der stinkt in alle Ewigkeit! Das kannst du mir glauben!«
»Schrei nicht so!« erwiderte ich in gleicher Lautstärke, »in einer halben Stunde riechst du nichts mehr, das kann ich dir schriftlich geben!«
Auf dem obersten Sims in der Küche stand die Flasche mit Sagrotan. Wenn es im Klo zu unerträglich stank, goß ich Sagrotan in die Schüssel. Dann stank es zwar immer noch, aber nicht mehr nach Klo, sondern nach Krankenhaus. Ein Geruch, der mir anständiger dünkte. Also schüttete ich einen Eimer mit heißem Wasser und viel Sagrotan auf die bewußte Stelle. Das Wasser verschwand im Boden, der Gestank wurde unerträglich. Jetzt schleppte auch Manfred, ärgerlich schimpfend, einen Eimer mit Wasser heran, um das Sagrotan wieder abzuspülen.
»Do werdet er ebbes erlebe«, sagte der Nachbar. Er stand oben auf der Kellertreppe, schwarz vor dem hellen Tageslicht, und rief uns dunkle Prophezeiungen hinunter. »Der isch noch nia naß butzt worde, seit des Haus stoht!«
Wir würdigten ihn keiner Anwort, sondern schütteten weiter Wasser in die Ecke. Der Lehm wurde zum stinkenden Morast. Wir kratzten ihn mit einer Schaufel in den Eimer. Dann stieß die Schaufel auf etwas Hartes. »Vielleicht ist es ein Schatz«, rief ich hoffnungsfroh — sollte uns dieser Keller doch noch klingende Münze bescheren? »Schatz! Daß ich nicht lache!« Manfred knirschte mit den Zähnen, eine unangenehme Eigenschaft, die ich ihm noch nicht hatte abgewöhnen können, »es ist der Steinfußboden, mein Kind!«
Die Entdeckung war überwältigend, mir standen die Haare zu Berge. Zehn Zentimeter festgebackener Dreck von hundert Jahren in unserem sauberen Keller! Hatten sich die Vorgänger denn nie die Füße abgewischt, wenn sie in den Keller stiegen? Waren die Kartoffeln mitsamt dem halben Acker in den Keller geschaufelt worden?
»Ohne meinen Mist hätten wir weiter auf all diesem Dreck gehaust!« rief ich triumphierend, aber dieser Triumph konnte mein Herz nicht erfreuen.
»I han’s jo g’sagt!« rief der Nachbar schadenfroh. Neben ihm erschien die Mesnerin auf der Treppe. Sie trug Gummistiefel, einen uralten Kleiderschurz, zwei Eimer und eine Hacke.
»Wenner wollet, no helf i«, sagte sie und stieg
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