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Pfarrers Kinder Muellers Vieh

Pfarrers Kinder Muellers Vieh

Titel: Pfarrers Kinder Muellers Vieh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amei Müller
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laß die dürre Lebensau...« Sie zog beim Singen das s hinüber zum au, und so wurde aus der dürren Lebens-au eine dürre Lebens-sau, wenigstens für Andreas. Helene schüttelte den Kopf.
    »Ich werde dir das Lied heute abend erklären«, sagte sie. Am Abend saß sie eine Stunde an Andreas Bett und erklärte. Völlig verwirrt kam sie wieder ins Wohnzimmer. »Nun, hat er’s verstanden?« fragte Manfred.
    Helene griff sich an den Kopf. »Ich verstehe es selber nicht«, sprach sie »aber es ist ein schönes Lied!« Jedenfalls haben wir durch Helenes Topfgesänge die Morgenlieder sozusagen im Schlaf gelernt.
    Helene hatte bei ihrer Ankunft noch weniger Ahnung von Kochen und Haushaltsführung als ich. Sie war aber ein fleißiges Mädchen. Während Manfred und ich im Städtchen einkauften, beschloß sie die Wohnung gründlich zu putzen. Sie schleppte Eimer mit heißem Wasser heran, weichte den Boden gründlich auf und schrubbte das Parkett mit Schmierseife. Ihr Gesicht strahlte, als wir heimkehrten und durch die Wohnung wateten. An dem Parkett war nichts mehr zu verderben, ich konnte meine Tränen fließen lassen. Nach dem Trocknen klafften manche Hölzer auseinander, andere hatten sich gewellt. Zum Glück war es Helene nicht gelungen, das ganze Haus unter Wasser zu setzen. So mußten wir nur drei Zimmer und die Diele Spänen. Wir schafften es in drei Tagen.
    Helene kannte viele neue Tischgebete, und sie sprach sie gern und mit Betonung. Sie stammte aus einem frommen Elternhaus. Ihr Vater war Prediger bei einer Gemeinschaft. Jeden Tag las sie ein Kapitel aus der Bibel. Dazu setzte sie sich demonstrativ in eine Sofaecke im Wohnzimmer. Eine Zeitlang hielt ich ihrem vorwurfsvollem Blick stand. Dann holte ich meine Bibel und nahm in der anderen Ecke Platz. Meistens war ich mit dem Kapitel eher fertig als sie. Ich wagte aber nicht aufzustehen, sondern verharrte in einem andächtigen Nickerchen, bis sie auch soweit war. Sie stand auf, sagte, diese Stunde wäre für sie ein Lebensborn, und sie hoffe, es ginge mir ebenso. Ich pflichtete eifrig zu.
    Jedes Jahr im Winter, wenn unsere Gemeinschaft eine Evangelisation hielt oder wenn Zeltmission war, bekehrte sich Helene. Sie war dann besonders gründlich bei der Arbeit und schwierig im Zusammenleben. Mit schmerzlicher Geduld ertrug sie meine Launen und sah mich nur traurig an, wenn ich schimpfte. Morgens sang sie Glaubenslieder. »Harre meine Seele...« oder »Bei Dir Jesu will ich bleiben...«. Nach ein paar schweren Wochen legte sich ihr frommer Eifer, und sie wurde wieder menschlich.
    Mit dem Essen war Helene nicht verwöhnt. Sie aß, was auf den Tisch kam, am liebsten Kartoffeln mit Soße. Dieses Gericht konnte ich recht gut zubereiten, wenn man von der Soße einmal absieht. Ich hatte mit der Zeit gelernt, zum Braten eine schmackhafte Soße herzustellen. Braten aber durfte es nach Helenes Meinung höchstens am Sonntag geben. Fleisch am Werktag hielt sie für sündhafte Völlerei. Ohne Bratensaft jedoch entbehrte meine Soße jeglicher Kraft und Würze. Was sie dafür reichlich enthielt, waren Mehlklumpen und verbrannte Zwiebeln. Manfred aß mit deutlichem Widerwillen. Fielene aber langte freudig zu und sagte, dies Gericht erinnere sie an Zuhause.
    Dann übergab ich ihr den Kochlöffel und lehrte sie, Kartoffeln, Gulasch und Reis zu kochen. Bald hatte sie mich in der Zubereitung dieser Speisen überflügelt und ging dazu über, schmackhafte Phantasiegerichte herzustellen. Wir wechselten uns ab.
    »Wer kocht heute?« pflegte Manfred zu fragen. Wenn ich an der Reihe war, seufzte er.
    So hätte Helene noch lange bei uns bleiben und im Segen wirken können, hätten ihre frommen Eltern nicht unseren schlechten Einfluß gefürchtet. Sie schied von uns mit schwerem Herzen und bat, nicht alles zu vergessen, was sie uns an Gutem beigebracht. Sie werde uns in ihr Gebet einschließen, sagte sie. Dann weinten wir gemeinsam. Wir hatten die kostbarste aller Perlen verloren.
    Nach Helene nahmen wir keine Haustocher mehr in Dienst. Ich begnügte mich mit einer Putzfrau, die einmal in der Woche kam. Diese Frau erzählte mir gern von dem Schicksal ihrer zahlreichen Verwandtschaft. Sie hätte auch gerne geputzt, wäre sie dazu gekommen. Es war ihr nämlich nicht gegeben, zwei Dinge auf einmal zu verrichten, also zu reden und zu putzen. Da sie lieber sprach, verhielt es sich meistens so, daß sie plaudernd am Fenster lehnte, und ich dabei putzte und zuhörte. Als mir diese Doppelbeanspruchung auf

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