Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pfarrers Kinder Muellers Vieh

Pfarrers Kinder Muellers Vieh

Titel: Pfarrers Kinder Muellers Vieh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amei Müller
Vom Netzwerk:
gerne sie sonst kicherten und lachten, bei einer Beerdigung blieben sie todernst und verzogen nicht einmal den Mund, egal was passierte. Auf dem Friedhof gab es einfach nichts zum Lachen! Als sie nun aber bemerken mußten, daß ihre Frau Pfarrer Schande über sich und den Chor bringen würde und daß kein mahnendes Wort, kein flehender Blick half, schoben sie mich beim ersten Glucksen vorsichtig nach hinten ab. Zwei kräftige Mädchen stellten sich schützend vor mich, hinter ihren breiten Rücken hatte ich Gelegenheit, mich wieder zu fassen.
    Da war der Bauer, der auf dem Weg zur Beerdigung seiner Schwiegermutter derart von Schluchzen geschüttelt wurde, daß man ihn stützen mußte. Manfred hielt ihn am Grabe fest, damit er sich nicht in seinem Schmerz hinunter in die Grube stürzte. Dabei wußte jeder im Dorf, daß dieser gramgebeugte Mann seine Schwiegermutter nicht hatte ausstehen können und daß sie sich jeden Tag in die Haare geraten waren. Nun hatte er sich nach dem seligen Ende seiner Widersacherin nicht mehr von der Schnapsflasche getrennt, und, uneingedenk der früheren Gefühle, glaubte er jetzt selbst an seinen Schmerz. Auch die Trauergemeinde war gerührt, man weinte laut und hemmungslos. Ein braver Mann, er wußte, was sich am Grabe gehörte. Nur wir vom Leichenchor gebrauchten unsere Taschentücher nicht, die Tränen abzuwischen. Wir hielten uns die Nasen zu, denn er roch so stark nach Schnaps, daß wir ganz benommen wurden.
    Als der Leiter des Kleintierzüchtervereins beerdigt wurde, geschah vieles zu seinen Ehren. Auch eine Rede wurde gehalten. In kluger Voraussicht hatte der Vortragende seine Rede auf einen Zettel geschrieben und diesen in den Zylinder gelegt. Den Zylinder ehrfürchtig in der Hand haltend, hoffte er später ohne Mühe aus dem Zettel vorlesen zu können. Nun hatte sich aber der Zettel während des Marsches vom Zylindergrund gelöst. Als der Mann den Zylinder vom Haupt nahm und hoffnungsvoll hineinblickte, um seine Rede abzulesen, da war der Zettel verschwunden. Er lag weithin sichtbar auf dem schwarzen Haar des Kleintierzüchters. Dieser war verzweifelt. Er meinte, der Zettel wäre verlorengegangen und wußte nicht, wie nahe ihm die Hilfe lag. Die Weidener zeigten sich auch dieser Situation gewachsen. Keiner lachte. Ein junger Mann griff nach dem Zettel und hielt ihn vor die Nase des unglückseligen Menschen. Der aber war rettungslos verwirrt. Die Buchstaben verschwammen ihm vor den Augen. Er sah den Kranz in seiner Hand und wußte, daß er ihn mit irgendwelchen Worten am Grabe niederlegen mußte. So holte er tief Luft und sprach:
    »Lieber Emil! Und so lege ich denn diesen Kranz an deinem wohlverdienten Grabe nieder. Ruhe in Frieden!«
    Die Trauergäste verzogen keine Miene. Manfred und ich aber wechselten einen Blick, worauf er die Augen in die Agende senkte, und ich von den Mädchen des Leichenchores nach hinten abgeschoben wurde.
    Bei der Beerdigung eines Ehrenmitglieds des Gesangvereins brauste ein Herbststurm über das Land. Er riß uns den Gesang von den Lippen. Nur bruchstückweise waren Manfreds trostreiche Worte zu hören. Am schwersten aber hatte es der Fahnenträger des Vereins. Die mächtige Vereinsfahne schlug und knatterte im Winde. Mit Mühe hatte er sie den Berg hinauf zum Friedhof geschleppt. Es nahte die feierliche Zeremonie der Fahnenehrung, die allen verstorbenen Vereinsmitgliedern zuteil wurde. Der Männerchor röhrte das Lied: »Stumm schläft der Sänger, dessen Ohr gelauschet hat an höhrer Welten Chor...«
    Während des Gesanges sollte der Fahnenträger die Fahne dreimal in das Grab tauchen. Ich hatte es schon einige Male gesehen, es war ergreifend, keine Auge blieb trocken. Dieses Mal aber verfing sich der Sturm in der Fahne. Trotz heftiger Bemühungen brachte der junge Mann sie nicht in das Grab hinein. Sein Kopf war rot, seine Halsmuskeln zum Zerreißen gespannt. An Aufgabe war nicht zu denken. Die Fahne mußte ins Grab hinein, dreimal, so gebot es die Vereinsehre. Auch hier bewährte sich die Nachbarschaftshilfe. Drei Tenöre eilten herbei. Sie packten die Widerspenstige, hängten sich an das starke rotgoldene Tuch, zerrten und tunkten das Ding ins Grab hinein, dreimal, so wie es sich gehörte. Eine Troddel der Fahne wurde bei dem Manöver abgerissen und vom Sturm ins Grab geweht. Man ließ sie dem Toten, auf diese Weise hatte er einen Ersatz dafür, daß die Zeremonie nicht ganz so erhebend gewesen war wie sonst.
    Bei Regenwetter ging die Mesnerin im

Weitere Kostenlose Bücher