Pfarrers Kinder Muellers Vieh
wieder mit Kuchen gefüllt. Da standen sie auf langen Tafeln dicht beieinander: Buttercreme- und Sahnetorten, Obst- und Rührkuchen, Gugelhopfe, Nußkränze und Hefezöpfe, jeder trefflich gelungen. Ein großer Teil dieser Meisterwerke aber verließ schon vor dem Fest das Haus, nämlich immer dann, wenn Kinder kamen, um von den Eltern Geschenke zu überreichen. Mit Kuchenpaketen bedacht kehrten sie wieder nach Hause zurück. Die Güte des Kuchens richtete sich nach dem Wert des Geschenkes. Für reiche Spenden gab es Torte, für Bücher Obstkuchen, für Taschentücher Hefezopf. Alle Familien im Dorf beschenkten die Konfirmanden. Also fanden sich in den Festhäusern auch die Backwaren der anderen Konfirmandenfamilien ein. Diese Situation führte zu interessanten Vergleichen. Darum war man vorsichtig und schickte in solchen Fällen nur das Beste. Beim Abschied nach dem Fest erhielt jeder Gast, er mochte wollen oder nicht, ein Kuchenpaket als »Versucherle«. Solche »Versucherle« landeten auch bei Pfarrers, Lehrers und der Gemeindeschwester. Besonders versuchenswert erschien den edlen Spendern ihr selbstgemachter Hefezopf. Ein Gebäck, das mir trotz leichter Beschaffenheit, auch in kleinen Mengen genossen, stets ein Gefühl der Völle vermittelt. Als unsere erste Konfirmation nahte, blühten im Garten gerade die Schneeglöckchen. Ich pflückte für jeden Konfirmanden ein Sträußchen. Manfred schenkte ein kleines Buch, worin Erbauliches über den Sinn der Konfirmation stand. Daraufhin hagelten uns die Kuchenpakete ins Haus. Bei einer späteren Konfirmation wählte Manfred ein Büchlein, das sich nicht gerade mit Aufklärung, aber doch mit dem Verhältnis der beiden Geschlechter zueinander beschäftigte. Dieses harmlose kleine Werk löste im Dorf einen Sturm der Empörung aus. Die Eltern waren entsetzt, die Kinder nicht, denn sie entdeckten in der Schrift keine sensationellen Neuigkeiten, wohl aber das längst bekannte in schönerer Form. Eine Mutter kam daher, zitternd vor Entrüstung. Sie klagte Manfred an, ihren unschuldigen Egon, ihr schlohweißes Lämmchen, das Männlein und Weiblein kaum zu unterscheiden vermöge, mit diesem schmutzigen Buch verdorben zu haben. Nun war aber dieser Egon ein gerissenes Bürschchen, beliebt bei den Mädchen und wohlbewandert in mancherlei Spielen an verborgenen Plätzen. Die Jugend des Dorfes wußte Bescheid, dem treuen Mutterauge jedoch blieb diese Seite des Knaben verborgen. Manfred fühlte sich nicht berufen, die Ahnungslose aufzuklären und kurz vor der Konfirmation Zwietracht zwischen Mutter und Sohn zu säen, er fragte sie nur, ob sie das Büchlein gelesen habe? Nein, so etwas Schweinisches lese sie nicht! Aber die Konfirmanden, Egon eingeschlossen, wußten zu berichten, daß sie gar nicht zum Lesen kämen, da die Eltern dieses Büchlein für sich beschlagnahmt hätten. So war das Geschenk an die rechte Adresse geraten. Mütter und Väter sammelten neues Wissen und gelangten zu mancher beunruhigenden Erkenntnis. Kein Wunder, daß sie ungehalten waren über die Störung ihres Friedens.
Zur Verschönerung der kirchlichen Feier wurde im Dorf ein Brauch geübt, der mir neue unerfreuliche Pflichten auflud. Vor der Einsegnung stellten sich die Konfirmanden im Altarraum auf und sangen ein Lied. Dieses sogenannte »Konfirmandenlied« sollte zu Herzen gehen und mindestens dreistimmig erklingen.
Da ich nun schon dem Leichenchor zu einer zarten Blüte verholfen hatte, hoffte man, es werde mir gelingen, auch diesen jugendlichen Kehlen Wohllaut zu entlocken. Eine Hoffnung, die mich bei der ersten Probe schier verzweifeln ließ. Ich erschien nach dem Konfirmandenunterricht im Räumle, um das Lied einzuüben.
»Du wirst keine Mühe mit ihnen haben, sie singen gern«, sagte Manfred, packte seine Bücher und verschwand.
Ich hätte schon an seinem eiligen Abgang bemerken können, daß hier etwas nicht stimmte, aber ich war zuversichtlich, sah ich doch ein stattliches Häuflein von Sängern vor mir, 16 Buben und 5 Mädchen.
»Ist einer von euch im Stimmbruch?«
Na, das wollten sie meinen! Fünf lange Bengels erhoben sich stolz im Bewußtsein ihrer Manneswürde.
»Ihr braucht nicht mitzusingen.« Ja was, wieso denn nicht? In der Schule dürften sie auch singen! Selten hatte ich soviel echte Begeisterung gespürt. Ich freute mich, es würde eine gute Zusammenarbeit werden.
»Kennt ihr den Choral: »Wohl denen, die da wandeln?« Ja, sie kannten ihn. »Dann wollen wir erst einmal zusammen die
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