Pfarrers Kinder Muellers Vieh
Auffahrt der Speisen ließ man sich viel Zeit, servierte die nächste Beilage erst, wenn die vorherige erkaltet war, und sorgte auf diese W eise dafür, daß kein Gast sich den Mund verbrannte. Zuerst erschienen die Bratenplatten. Wir bedienten uns mit Fleisch und warteten. Dann rückten die Salate an, nach längerer Zeit die Nudeln, schließlich die Soße. Die selbstgemachten Nudeln galten als hervorragend gelungen, wenn sie nicht klebten, »einen guten Biß« hatten und die Bratensoße nicht aufnahmen. Nun begriff ich, warum die anderen Gäste ihren Suppenlöffel, sauber abgeschleckt, zurückbehalten hatten. Sie löffelten damit den Teller leer, während wir die gute Bratensoße nur als Spritzer auf Bluse, Hemd und Krawatte davon trugen.
Das krönende Finale des Festmenüs bildeten kalorienreiche Wein- oder Zitronencremes, mit Schlagsahne reichverziert. Dieses große Essen wurde, soweit es ging, von den Hausmüttern vorbereitet. Am Festtag selbst übernahmen Frauen aus der Nachbarschaft die Arbeit in der Küche. Sie kochten, servierten und wuschen das Geschirr. Es gab auch drei oder vier begnadete Köchinnen im Dorf. Wer ihrer habhaft werden konnte, war aller Essenssorgen ledig. Sie führten in der Küche ein strenges Regiment, aber jede Frau beugte sich willig, um die Künstlerin nicht zu vergrämen. Vor der Taufe unseres Andreas engagierte ich eine solche Küchenmeisterin zum Kochen des Taufmenüs. Sie kam bald darauf, um die Küche zu inspizieren. Erst wollte sie einen Blick in »die Speis« werfen. Ich öffnete gehorsam die Speisekammertür.
»Koi Schmalz? Koi Speck?« fragte sie, »ja, mit was dehnt er denn koche?«
Nun, ich hatte an Margarine gedacht oder Öl. Eine solche Möglichkeit aber wies sie weit von sich.
»Noi, Frau Pfarrer, des könnet se fei net do, net mit mir! I muaß Ehr eilege, ond i brauch a Schmalz!«
»Gut, ich kaufe welches ein.«
»Eikaufe? Beim Metzger etwa?! Noi, des gibt’s net. I brengs mit!«
Sie besichtigte den Ofen, die Töpfe und Pfannen.
»Wo hent er d’Kachl?«
»Welche Kachel?«
»Für d’r Brode!«
Ich schleppte herbei, was ich hatte, aber nichts fand Wohlgefallen vor ihren Augen.
»Frau Pfarrer, mit dem Glomp ko i net koche. I bring mei Sach selber mit!«
Einen Tag vor der Taufe erschien sie wieder, beladen mit Schmalztopf, Speck, Schnittlauch und einer großen Bratpfanne, der »Kachel«. Sie band ihre weiße Schürze um, und begann »vorzuschaffa«. Als ich mich zur Mithilfe anbot, erklärte sie freundlich aber bestimmt, daß ihr am meisten geholfen sei, wenn ich die Küche verließe.
»I brauch a Ruh!« sagte sie und schloß die Türe hinter mir. Die Abendmilch für Andreas machte Manfred warm. Ich war verärgert und traute mich außerdem nicht in die Küche hinein. Den Herrn Pfarrer ließ sie gewähren, tat aber leise vor sich hinbrummend kund, wie sehr es sie befremde, einen Mann, noch dazu einen Geistlichen, so niedere Dienste verrichten zu sehen.
Da ich mich geweigert hatte, Suppennudeln zu machen, sie aber keine gekauften verwenden wollte, hatte sie sich für eine »Grießklößlessuppe« entschieden. Diese »Klößle« gingen derart auf, daß sie fast so groß waren wie der Kopf des Täuflings. Auch alle anderen Speisen gelangen auf s Beste. Unsere Gäste, nichts Gutes ahnend, weil wohlvertraut mit meinen Kochkünsten, sahen sich angenehm enttäuscht. Trotzdem waren sie unzufrieden.
»Warum hast du uns nicht vorher geschrieben, daß jemand anderes kocht? Nun haben wir schon im Auto gegessen.« Erst bei der Nachspeise, einer dünnlichen Zitronencreme, erkannten sie meine zarte Hand wieder.
»I hab mi in Grundsbode nei geschämt, a sottiche Soß az’biate«, sagte die Köchin nach dem Essen zu mir, »i han halt denkt, wenigschtens des kennt d’ Frau Pfarrer mache!« Den schlimmsten Schock aber erlitt sie beim Anblick meines sitzengebliebenen Gugelhopfs.
»O, Frau Pfarrer! Des fresset jo net amol d’ Säu! Was werdet d’ Leut denke?«
»Die kennen meine Kuchen und sind vorsichtig.« Tatsächlich, nach einem kurzen Blick auf den Gugelhopf versicherten alle Gäste, daß sie nach diesem wundervollen Mittagessen nur noch ein Täßchen Kaffee vertragen könnten und leider auf den Kuchen verzichten müßten.
Auch bei der Konfirmation wurde wenig Kuchen gegessen. Trotzdem dauerte die Bäckerei mindestens zwei Tage lang. Sämtliche weiblichen Anverwandten halfen mit, die Backöfen rauchten Tag und Nacht. Ein Zimmer im Haus wurde leergeräumt und dann
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