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Pfarrers Kinder Muellers Vieh

Pfarrers Kinder Muellers Vieh

Titel: Pfarrers Kinder Muellers Vieh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amei Müller
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Nachmittag Probe im Pfarrhaus. So waren sie zu mancher freien Stunde gekommen.
    Im nächsten Jahr stellte sich der Mädchenkreis schon öffentlich zu den Konfirmanden. Im übernächsten gesellte sich der Kirchenchor dazu und einige Posaunenbläser. Das Gotteslob erschallte so mächtig, daß es die Gläubigen schier von den Bänken fegte. Man vergaß zu weinen und fühlte sich in eine bessere Welt versetzt.
    »I han denkt, der Jüngschte Tag sei do«, sagte der Kirchenpfleger am nächsten Tag zu mir, »bloß a Pauk, dia fehlt no.«

Konfirmation mit Magendrücken

    Bei der Konfirmation war unsere Kirche bis auf den letzten Platz besetzt. Die treuen Kirchgänger fanden ihre angestammten Bänke von fremdem Volk belagert. Verärgert nahmen sie auf Notsitzen und Stühlen Platz. Die Glocken läuteten, der Organist spielte sein festliches Präludium in Dur, die Gemeinde erhob sich. Mit Manfred an der Spitze marschierten die Konfirmanden ein. Sie sahen ängstlich und blaß aus, denn sie fürchteten sich vor der Prüfung. Dabei hatte Manfred diese »Prüfung« viele Male mit ihnen durchgesprochen. Jeder wußte genau, welchen Liedvers, welche Katechismusstelle, welchen Bibelspruch er aufsagen mußte. Sie konnten dies alles im Schlaf hersagen, dafür hatten schon die Eltern gesorgt. Aber die häuslichen Mahnungen, die vollbesetzte Kirche und die Feierlichkeit des Augenblicks versetzten sie trotzdem in ängstliche Spannung. Wehe denen, die steckenbleiben oder stottern würden! Der ganze schöne Tag würde ihnen vergällt werden. »Kosch du net lerne, du fauler Denger?! Warum hasch ons des ado? Schäm de en Erdsbode nei!«
    Mit solchen und ähnlichen Tadeln würde die Verwandtschaft hinterher nicht geizen. Geschenke würden zurückgenommen, Ohrfeigen angeboten werden.
    Auch Manfred vermochte seine Aufregung nur schwer zu verbergen. Er legte die Bücher auf dem Altar mal hierhin mal dorthin, blätterte nervös in der Bibel und betrachtete seine Konfirmanden mit besorgten Blicken. Besonders ängstlich ruhte sein Auge auf Arthur, einem blassen Kerlchen. Arthur rutschte unruhig auf der Bank hin und her und bewegte murmelnd die Lippen. Er hatte einen Sprachfehler, allerdings nur, wenn er aufgeregt war; dann blieb ihm die Sprache weg, dann stand er da mit offenem Mund, drückte und drückte und brachte keinen Ton heraus. Beim Spiel mit den Freunden redete er wie geschmiert. Ich mochte Arthur gem. Er überspielte seine Schwierigkeiten mit Geschick, schnitt Grimassen, verrenkte die Glieder und war ständig darauf bedacht, die anderen zum Lachen zu bringen. Als ich ihm den Schneeglöckchenstrauß überreichte, schnupperte er daran und wandte sich beleidigt ab. »Noi, Frau Pfarrer«, sagte er, ohne zu stocken, »i bin koi Has, i ko des Zeug net fresse!«
    »Das sollst du auch nicht, Arthur. Schneeglöckchen sind giftig.«
    »Heide nei, des han i jetzt net denkt, daß d’Frau Pfarrer mir ebbes giftigs schenkt. I brings uff d’Polizei!«
    Er stopfte den Strauß in die Hosentasche und ging davon. Beim Konfirmationsmahl standen die Schneeglöckchen in einem Schnapsglas vor seinem Teller.
    Manfred hatte ihm die Prüfung ersparen wollen.
    »Was sollst du dich aufregen, Arthur. Ich weiß ja, daß du alles kannst. Laß die anderen für dich reden. Das merkt kein Mensch.«
    »Noi, noi, des gibt’s fei net! I ko mei Vers sage, wia die andere au. I ben koi Depp!«
    Er lernte seine Antworten. Schwierig war allein der Anfang. Wenn er den gefunden hatte, lief die Sache wie geschmiert.
    Die Eingangsliturgie ging zu Ende. Man setzte sich bequem zurecht und wartete der Dinge, die da kommen sollten, denn jetzt nahte die Prüfung. Arthurs Familie hockte zitternd in der Bank. Der Vater wischte sich den Angstschweiß von der Stirn, die Mutter verrichtete ein Stoßgebet nach dem anderen.
    Nun hatte sich der kluge Junge etwas ausgedacht. Er kannte den Verlauf der Prüfung und wußte genau, wer vor ihm an die Reihe kam. Raspelte nun dieser Vordermann seinen Part herunter, dann begann Arthur bereits nach seinem Anfang zu ringen. Beim ersten Mal klappte es wunderbar. Kaum hatte Manfred die Frage ausgesprochen, da brach schon die Antwort aus Arthur heraus. Es war eine Erlösung für alle, die Arthur kannten. Die Verwandtschaft atmete auf. Man räusperte sich und nickte einander zu. Nur Mut, dieser Goldjunge wird es schaffen! Arthur schnitt eine Grimasse zu mir herüber. Manfred ließ vor freudiger Überraschung seine Zettel fallen. Als er sie wieder eingesammelt

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