Pfarrers Kinder Muellers Vieh
hatte, begann der zweite Durchgang.
Arthurs Nebenmann wurde nach dem ersten Glaubensartikel gefragt. Er riß den Mund auf, Arthur auch. Der eine sagte laut den Glaubensartikel her, der andere suchte nach dem Anfang der Erklärung. Er fand ihn sogleich, ermutigt durch den ersten Triumph.
Der Vordermann sprach: »Ich glaube an Gott, Vater, den Allmächtigen, Schöpfer des Himmels und der Erden.« Gleichzeitig murmelte Arthur vor sich hin: »Ich glaube, daß mich Gott geschaffen hat samt allen Kreaturen. Leib und Seele...« Hier nun endlich wurde er gefragt: »Was ist das?« Er schnurrte weiter, laut und deutlich: »...Augen, Ohren und alle Glieder, Vernunft und alle Sinne...« Die Verwandtschaft sank entsetzt in sich zusammen, und die Gemeindeglieder streckten neugierig die Hälse. Hier stimmte etwas nicht, hieß das wirklich so? Aber der Pfarrer nickte freundlich mit dem Kopf, die anderen Konfirmanden blickten anerkennend zu Arthur hinüber, und da stand der Junge und spulte die Erklärung zum ersten Glaubensartikel hinunter, daß es eine reine Freude war. Wenn man es recht überlegte, so war der Arthur der Beste von allen, denn diese Erklärung wollte ja gar kein Ende nehmen. Sie war das längste und schwerste Stück bisher, und man mußte wahrhaft staunen, wie der Arthur diese Aufgabe meisterte. Nun galt es, noch eine Klippe zu umschiffen, und die war nicht gefährlich. Zwei Worte mußte der Arthur sagen. Er sprach sie leise vor sich hin, um seine Zunge in Bewegung zu halten und ihr den schwierigen Anfang zu ersparen: »Ja nicht, ja nicht, ja nicht...«
Der Pfarrer fragte: »Dürfen wir aber in der Sünde beharren?«
»Ja!« sagte Arthur mit lauter Stimme, das »nicht« hatte er neben seinen größeren Sorgen völlig vergessen.
Die Gemeinde erstarrte. Wie das? Wir dürfen in der Sünde beharren? Hatte man so etwas schon gehört? Hier wurde eine Irrlehre verkündigt!
Da sprach die nächste Konfirmandin laut und deutlich: »Bei Dir gilt nichts denn Gnad und Gunst, die Sünde zu vergeben. Es ist doch unser Tun umsonst auch in dem besten Leben...« Ach so, es ging um diese Gnade. Trotzdem, die Konfirmanden hätten dergleichen nicht auswendig lernen brauchen! Die waren frech genug! Die sollten sich lieber Mühe geben, nicht in der Sünde zu beharren! Im nächsten Jahr ließ Manfred diese Frage mitsamt der Antwort aus.
Die Prüfung war überstanden. Wir »sangen« unser Konfirmandenlied, Manfred bestieg die Kanzel, die Kirchenbesucher versanken in süße Träumereien. Vor ihrem inneren Auge erschien die festlich gedeckte Tafel. Braten, Nudeln, Meerrettichsoße und Wein rückten in greifbare Nähe. So mancher hungrige Magen knurrte, und der Pfarrer predigte dazu. Schön tat er das und kurz. Man wagte noch gar nicht auf den Schluß zu hoffen, da stieg er schon wieder von der Kanzel.
Für die Konfirmanden folgte nun der schönere Teil des Gottesdienstes. Sie wurden aufgerufen, durften vor den Altar treten und hatten dabei die Gelegenheit, ihre schmucke neue Gewandung zu zeigen. Bei all diesem konnten sie eigentlich nichts falsch machen, also erhoben sie dankbar die Blicke und freuten sich auf das, was kommen sollte. Anders verhielt es sich mit mir, der leidgeprüften Pfarrerstochter. Ich hielt weiterhin den Kopf gesenkt zu stillem Gebet, denn ich gedachte der Stolperdrähte, die noch in diesem letzten Teil des Gottesdienstes verborgen lagen. Ach, wie schnell brachten sie einen ahnungslosen Pfarrer zu Fall! Wie erheiternd wirkte ein solches Mißgeschick auf die Gemeinde und wie peinlich war es für die Angehörigen des Gestrauchelten!
»Wie soll das Knäblein heißen?« hatte mein Vater bei einer Taufe gefragt.
»Magdalene-Christine« hatten die Eltern geantwortet und beleidigte Gesichter gemacht. In der Kirche war laut gelacht worden, was ein treuer Gottesdienstbesucher im allgemeinen verabscheut und daher selten praktiziert. Nur wir Pfarrerskinder wahrten die Würde des Ortes und hatten keinen Anteil an der allgemeinen Freude.
Bei einer Konfirmation verwechselte er Jochen Biermann mit Steffen Wirthwein. Die Knaben standen vor dem Altar und warteten auf ihre Einsegnung. Flüsternd machten sie dem Pfarrer klar, wer Jochen, und wer Steffen war. Vati lächelte und verlas den Denkspruch für Jochen. Er lautete: »Ich kenne Dich mit Namen, spricht der Herr.«
»Hoffentlich besser, als der Pfarrer!« flüsterte jemand hinter meinem Rücken. Auch in diesem Gottesdienst wurde gelacht.
Manfred kannte seine Konfirmanden
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