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Pfarrers Kinder Muellers Vieh

Pfarrers Kinder Muellers Vieh

Titel: Pfarrers Kinder Muellers Vieh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amei Müller
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bei Namen. Er verwechselte nicht einmal die Zwillinge Inge und Anita, die einander glichen wie ein Ei dem anderen. Allerdings war ein besonderer Glücksfall eingetreten, indem nämlich Inge zwei Tage zuvor bei einem Sturz einen Schneidezahn eingebüßt hatte. Vor der Namensnennung zeigte sie ihrem Pfarrer freundlich lächelnd die Zähne samt Luke.
    Bei einer letzten Probe hatte Manfred seine Konfirmanden in die Kunst des Kniens einweihen wollen. »Kommt her, ich zeige es euch. Es ist gar nicht so leicht.«
    »A bah, Herr Pfarrer, des brauchet mer net lema, des könnet mer!«
    Sie konnten es aber keineswegs, das mußte ich bei der Einsegnung mit Bedauern feststellen. Anstatt stolz und aufrecht nur mit den Knien das Kissen zu berühren, ließen sie ihren Po gemütlich auf den Hacken ruhen und kauerten vor dem Altar, krumm wie die Fiedelbögen. Es war kein erhebendes Bild, von welcher Seite man es auch betrachtete. Manfred legte die Hände nun segnend auf die pomadeglänzenden oder kunstvoll gelockten Häupter seiner Konfirmanden und sprach Segenssprüche. Dies war der zweite gefährliche Stolperdraht.
    »Lieber Gott, mach doch, daß er kurze Sprüche nimmt!« Keine Gebetserhörung! Der liebe Gott machte es nicht, und der störrische Manfred begann den längsten aller Segenssprüche zu sprechen. Einen Spruch mit ungeahnten Möglichkeiten, sich zu verheddern, zu wiederholen, oder steckenzubleiben:

    »Der Gott aller Gnade, der Dich berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christo Jesu, der wolle Dich vollbereiten, stärken, kräftigen, gründen, daß Dein Geist ganz samt Seele und Leib...«

    Warum konnte dieser Manfred nicht einfach sagen: »Siehe, ich bin bei Euch alle Tage, bis an der Welt Ende!«? Punktum, fertig! Jeder Mensch hätte verstanden, was gemeint war, und ich wäre von Sorgen und Nöten befreit gewesen. Aber nein, nichts einfaches, kleines, etwas ganz besonderes mußte es sein; und so ließ er denn dieses Monstrum, diesen Bandwurm auf die armen Kinder los.
    »Du liebst mich nicht!« sagte ich später zu ihm. »Wenn du mich nämlich liebtest, dann wüßtest du, welche Angst ich vor diesem Spruch habe, und du würdest alles tun, um mir diese Angst zu ersparen!«
    »Ich liebe dich!« sagte er hierauf zu mir, »aber du hast kein Vertrauen zu mir! Wenn du nämlich Vertrauen hättest, dann wüßtest du, daß ich diesen Spruch auf jeden Fall zu einem guten Ende bringe!«
    Nach der Einsegnung rappelten sich die Konfirmierten von der Kniebank hoch. Sie taten dies mehr oder weniger graziös - meistens weniger. Sie kippten nach vorne oder hinten über und klammerten sich aneinander, aber schließlich standen sie. Manfred gab ihnen die Hand und las die Denksprüche vor. Ein Jahr lang waren sie zweimal in der Woche zusammengewesen. Sie hatten so manchen Streit ausgetragen, hatten sich übereinander geärgert und miteinander gefreut. Sie kannten einander. Manfred hatte die Denksprüche sorgsam ausgewählt, um jedem die Verheißung oder Mahnung mitzugeben, die ihm jetzt und später helfen könnte.
    Die Konfirmanden allerdings waren auf kurze, leicht lernbare Sprüche erpicht. Am Abend der Konfirmation fand nämlich eine Nachfeier in der Kirche statt, und es war Sitte, daß die Konfirmierten während dieser Feier ihren Denkspruch aufsagten. Manche hatten aber an dem Tage schon mehr Wein genossen, als ihnen zuträglich war, und so wurden lange und schwierige Sprüche zu wahren Zungenbrechern. Nun hätten die unglückseligen Besitzer eines solchen Spruchungetüms bei der Feier irgendein kurzes Sprüchlein hersagen können, aber das wagten sie nicht, denn hinten in ihrer Kirchenbank saß Frau Wichtig und paßte auf. Die alte Frau fehlte bei keinem Festgottesdienst. Sie lehnte mit geschlossenen Augen auf ihrem Platz und schien zu schlafen — in Wirklichkeit aber arbeitete ihr Gehirn auf Hochtouren. Frau Wichtig, achtzig Jahre alt und frühere Mesnerin, hatte eine seltsame Gabe. Sie konnte sich alle Sprüche merken, die jemals in der Kirche an Dorfbewohner gerichtet wurden. Sie speicherte Tauf- und Konfirmationssprüche, Trau- und Beerdigungstexte. Ich traf sie ein paar Tage nach dem Gründonnerstagabendmahl auf der Straße.
    »Grüß Gott, Frau Pfarrer«, sagte sie, »erschter Korinther dreizehn!«
    »Grüß Gott, Frau Wichtig! Ja, dies ist ein schöner Spruch.«
    »Kennet Sie ihn nimmer? Den Schpruch hat ihne der Herr Pfarrer mitgebe nach dem Abendmahl. Oh, Frau Pfarrer, des sott mer sich merke. Do hat der Herr Pfarrer

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