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Pfarrers Kinder Muellers Vieh

Pfarrers Kinder Muellers Vieh

Titel: Pfarrers Kinder Muellers Vieh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amei Müller
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mir so, als würde ich bei einer schnellen Bewegung platzen, und unser Kind zwei Monate vor der Zeit zur Welt bringen.
    Von den Abendeinladungen nahmen wir nur die erste wahr, denn wir wurden dort schon doppelt gesehen. Man begrüßte uns mit lärmender Herzlichkeit. Eine dicke Dame riß Manfred von meiner Seite und drückte ihn zärtlich an ihren wogenden Busen. Er sagte nachher, er habe sich aus Kräften gewehrt, aber er wäre völlig machtlos gewesen. Dafür kam er dann neben diese Dame zu sitzen, und da hatte er einiges zu erleiden. Es gab Göckele und Kartoffelsalat. Die fleißige Bedienung schleppte drei Schüsseln Kartoffelsalat auf einem Tablett herein. Sie kam in großer Eile und stand gerade hinter der dicken Dame, als diese einen Bekannten erblickte. Sie sprang hoch, ihn zu begrüßen, schlug mit dem Kopf an das Tablett, worauf eine der Schüsseln, der Fliehkraft folgend, vorwärts schoß und auf unserem Tisch landete, allerdings auf der umgekehrten Seite. Die Dame lachte schallend, drehte die Schüssel um und schaufelte den Salat wieder hinein, wobei sie leider nicht nur den Löffel, sondern auch die Finger benutzte. Den unschönen Fleck auf der Tischdecke belegte sie mit Papierservietten. Dann schob sie Manfred die Schüssel hin.
    »Langet Se zu, Herr Pfarrer!«
    Nun war diese Dame ausgesprochen gierig. Standen die Speisen nicht direkt vor ihrem Teller, so beugte sie sich weit über den Tisch und holte herüber, was sie benötigte. Sie hielt sich nicht damit auf, ihren Nachbarn um freundliches Herüberreichen zu bitten, sondern tauchte ihren Busen rücksichtslos in die angrenzenden Teller. Manfred erstarrte. Als sein Teller das nächste Mal auf diese Weise beehrt wurde, wendete er sich der Dame zu mit den Worten »Ich gebe Ihnen gerne, was Sie brauchen!«
    Sie aber schüttelte den Kopf und versicherte: »net needich, Herr Pfarrer! S’geht scho!« Nachdem sie ihren Teller mit allen Speisen reichlich versehen hatte, machte sie sich über das Göckele her. Sie tat dies in einer Weise, die das Tier zwar vor Hieb und Stich bewahrte, andererseits aber die Vermutung nahelegte, diese Dame habe noch nie so etwas wie Gabel und Messer in der Hand gehabt. Sie zerriß das Göckele und fraß es auf. Die Knochen allerdings nagte sie nur ab und spie sie dann geräuschvoll von sich. Manfred dagegen tranchierte sein Hähnchen fein säuberlich mit dem Besteck, kein leichtes Beginnen, denn es war hart und knusprig. Die Dame beobachtete ihn mißmutig.
    »Dent se net so scheniert, Herr Pfarrer!« sagte sie und stieß ihn neckisch in die Seite. Der lange Tag hatte ihn ermüdet, das viele Essen seine Reaktionsfähigkeit vermindert. Der Stoß traf ihn unvorbereitet. Sein Messer schlug gegen das Hähnchen, es rutschte vom Teller und landete auf seinem Schoß. Die Umsitzenden lachten schadenfroh. Aber die Dame zeigte sich wiederum der Situation gewachsen. Sie griff herzhaft zu, legte das Hähnchen zurück auf den Teller und forderte den Herrn Pfarrer auf, eine Lehre aus dem Unglück zu ziehen und besser mit den Fingern zu essen. Er aber lehnte sich zurück und verweigerte jede weitere Nahrungsaufnahme. Er hielt sich an den Wein.
    Auch ich hatte Schwierigkeiten mit meinem Tischnachbarn. Er erzählte pausenlos Witze und lachte sehr darüber, wobei er das Essen aber nicht vergaß. Ich war ängstlich bemüht, ihm zuzuhören und dabei den Spritzern aus seinem Munde zu entgehen. Diese seelisch-körperliche Belastung machte mich durstig. Der Hausherr schenkte unentwegt Wein nach.
    Wie wir aus dem Haus herauskamen, entzieht sich meiner Kenntnis, auf dem Heimweg aber hielten wir uns fest umklammert und sangen Reichslieder. Wir sangen nicht lange. Eine schlimme Nacht brach über uns herein. Es ging uns so schlecht, daß wir Gott um eine baldige Erlösung von unseren Leiden und um einen schnellen Tod baten. Doch als der Morgen graute, lebten wir immer noch. Ach, was hätten wir darum gegeben, still unter der Erde zu ruhen oder bei Zwieback und Tee auf dem Sofa zu liegen! Doch auf uns wartete ein schlimmerer Tag als der vergangene. Auf acht Uhr war der Omnibus bestellt zum Konfirmandenausflug.
    Ich hatte erst nicht mitfahren wollen, aber Manfred behauptete, es würde bestimmt nett werden, ich könne es ruhig glauben, außerdem wolle er mich nicht allein lassen in meinem Elend.
    Also zog ich Wanderkleidung an und hoffte insgeheim, daß niemand kommen würde, daß sie allesamt krank an Seele und Leib im Bett lägen. Aber sie kamen vollzählig!

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