Pfefferbeißer - Harz Krimi
Besorgnis,
und horchte an seiner Tür.
Ungewohnte Geräusche, die fast wie Schluchzen klangen.
»Stimmt was nicht mit dir?«
Es war lange her, dass Torsten geweint hatte. Er war der Typ, der
alles in sich hineinfraß, wie Bernie, sein Vater. Sie konnte sich gar nicht
mehr erinnern, wann es das letzte Mal gewesen war. Da musste er noch klein
gewesen sein.
»Lass mich in Ruhe!«, kam die Antwort mit verheulter Stimme.
Liebeskummer. Was konnte es anderes sein? Der erste richtige Krach
zwischen den Liebenden. Die beiden lernen sich besser kennen, das geht nie ganz
ohne Schmerzen ab, dachte sie.
Nach dem Duschen zog sich Sina an und wollte noch schnell zum
Supermarkt, um ein paar Lebensmittel zu besorgen. Wenn Chao nicht da war,
musste sie eben selbst sehen, wo sie blieb. Es würde auch ohne ihn gehen.
Sie hatte sich gerade zwei Jutebeutel eingesteckt, als es an der Tür
klingelte. Die Geliebte folgt auf den Fuß, dachte sie und musste schmunzeln.
Doch draußen stand nicht Caro, sondern ein Mann, den sie noch nie gesehen
hatte.
»Guten Tag, Geißler mein Name …«
Den Namen dagegen hatte sie schon einmal gehört. Der Mann war um die
vierzig, groß und schlank, in Jeans und rot-blauem Baumwollhemd.
»Ich bin Carolins Vater, Sie sind wahrscheinlich Frau Kramer,
Torstens Mutter.«
»Allerdings.«
Sina fiel auf, dass sie ausgesprochen unfreundlich klang. Caros Vater
konnte schließlich genauso wenig für diese ganze Geschichte wie sie.
»Ich würde gerne mit Ihrem Sohn sprechen.«
»Kommen Sie bitte.« Sie schloss hinter ihm die Haustür und führte
ihn zur Treppe. Geißler schien besorgt. Sie deutete auf die erste Tür rechts im
ersten Stock.
»Torsten ist oben in seinem Zimmer. Ich kann Ihnen aber nicht
versprechen, dass er Sie reinlässt.«
Geißler stieg hoch und klopfte. Sina folgte ihm, blieb aber kurz vor
dem Treppenabsatz stehen.
»Torsten? Ich bin’s, Caros Vater. Ich wollte nur …«
»Gehen Sie weg, ich will Sie nicht sehen!«
Geißler ließ sich nicht so einfach abweisen, drückte die Türklinke.
Abgeschlossen. Er warf Sina einen hilflosen Blick zu.
»Kommen Sie«, sagte sie sanft. »Wir müssen uns ohnehin kennenlernen,
als zukünftige Verwandte.«
Sie zog ihn sacht am Hemdsärmel nach unten in die Küche, wo er sich
auf einen der Kiefernstühle an den Tisch setzte.
»Ich kann Ihnen ein Glas Orangensaft anbieten …«
Er schwieg. Sie holte ein Glas aus dem Hängeschrank, stellte es vor
ihn auf den Tisch, nahm den angebrochenen Tetrapak Orangensaft aus dem
Kühlschrank und goss ihm ein.
»Die werden sich schon wieder vertragen. Der Druck muss ja irgendwie
heraus. Ich weiß Bescheid, wir können offen miteinander reden.«
Sie warf Geißler einen aufmunternden Blick zu und wunderte sich über
sich selbst. Jetzt übertrieb sie fast, so verständnisvoll und zuversichtlich,
wie sie klang.
»Wenn es so einfach wäre.« Geißler wirkte verzweifelt.
Sina setzte sich ihm gegenüber auf die Eckbank. »Wenn Sie Torsten
eine Standpauke gehalten haben, dann muss er damit leben. Er ist ja nicht aus
Porzellan. Ich hätte am liebsten auch losgelegt, als die beiden mir gestanden
haben, dass …«
»Nein, Sie verstehen nicht, das ist es nicht.«
»Es hat nichts mit dem Kind zu tun?«
»Auch …«
Er nahm einen Schluck von dem Orangensaft.
»Dann wäre eine Erklärung allerdings hilfreich.«
Geißler schien mit dem Wirrwarr in seinem Kopf nicht fertig zu
werden. »Caro ist sehr sensibel, wissen Sie. Sie reagiert sehr empfindlich auf
Enttäuschungen. Das war schon so, als sie noch klein war. Wenn man ihr etwas
versprochen hatte und es dann nicht einhielt, brach für sie eine Welt
zusammen.«
»Ist da nicht jeder enttäuscht, ohne dass er so sehr sensibel ist?«,
fragte Sina. Ihr Bild von Caro war ein ganz anderes gewesen: rund und gesund,
verwöhnt und ichbezogen.
»Vielleicht sieht man es ihr nicht an, aber es ist nun mal so.«
Na schön, aber Sina verstand nicht, was Caros Sensibilität damit zu
tun hatte, dass Geißler jetzt in ihrer Küche saß und Torsten oben in seinem
Zimmer heulte. Am liebsten hätte sie gesagt: Kommen Sie auf
den Punkt! Aber das brachte sie nicht fertig.
»Sie hat dann angefangen, Geschichten zu erfinden, um sich
Enttäuschungen zu ersparen, und dann hat sie sich verliebt …«
»In Torsten.«
»Nein, das war vorher, vor einem guten Jahr. In der Schule kam sie
nicht richtig zurecht, stand in den meisten Fächern auf der Kippe. Wir haben
einen Studenten als
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