Pfeilgift: Katinka Palfys Siebter Fall
Frage.«
»Wieso nicht? Er hat kein Alibi. Vorstrafen sind immer einen Gedanken wert. Manchmal auch mehrere Gedanken.«
»Wertinger hat bei den Bullen heute Vormittag richtig ausgepackt. Ich habe ihn außerdem nach seinen Reisen für die Handelsagentur gefragt. Ich sage dir: Der Mann schuftet wie ein Blöder, um nur nicht wieder in die Pleite zu geraten.«
»Diesmal wäre es nicht sein eigenes Geschäft.«
»Er identifiziert sich aber mit der Handelsagentur«, unterbrach Cuno. »Überleg mal, er ist bereit, Geschäftsreisen privat zu bezahlen, nur damit er einen Job hat. Als er im Knast saß, trennte sich seine Frau von ihm. Das brach dem Mann das Genick.«
Katinka sagte nichts.
»Als er rauskam, suchte er sich einen neuen Job. Er wollte weg aus seiner ehemaligen Gegend, wo jeder über ihn schnackte. Hagen gab ihm eine Chance.«
»Wusste Hagen denn von der Insolvenzgeschichte?«
»Allerdings. Wertinger hat ihm reinen Wein eingeschenkt. Dir ist das vielleicht nicht aufgefallen, aber Wertingers Gehalt ist nicht gerade der Inbegriff meiner Träume. Da verdiene ich in ein paar Tagen mehr als Wertinger im ganzen Monat.«
Katinka verdrehte die Augen.
»Wertinger hätte jeden Job angenommen. In seiner Situation! Er mietete das Haus in Schweinfurt, nahm Kontakt zu seiner Ex auf und versuchte, sie zu überreden, zu ihm zurückzukehren.«
»Sie hatte aber schon einen anderen.«
»Woher weißt du das denn?«, fragte Cuno.
»Es ist einfach nur logisch. Schließlich hat er sie verprügelt.«
»So seid ihr Frauen. Lasst eure Kerle im Stich.«
»Wertinger hat das Haus natürlich gemietet, bevor er auf die Idee kam, bei seiner Frau mal höflich nachzufragen, ob sie noch interessiert ist«, sagte Katinka, nachdem sie tief durchgeatmet hatte.
»Ach, sei doch nicht so!« Cuno hustete. »Er will nichts anderes, als ein stinknormales Leben haben, will einen Job und eine Frau. Was ist daran so schwer zu begreifen?«
Nichts, dachte Katinka, und fragte stattdessen:
»Was hat er über Curare gesagt?«
»Er schwört, dass er niemals Curare oder ein Curarederivat gehandelt hat. Und Hagen auch nicht, das wüsste er. Katinka, ohne die Schwarzeinnahmen hätte Hagen dichtgemacht.«
»Wie lösen sich die Abkürzungen auf?«
»Du lagst nicht ganz falsch, Palfy«, bemerkte Cuno spitz. »Frösche. Pfeilgiftfrösche aus dem tropischen Südamerika. Pt und Pb stehen für Phyllobates terribilis und Phyllobates bicolor, zwei der häufigeren Arten. Ein hübscher kleiner Nebenverdienst, an der Steuer vorbei.«
Katinka pfiff durch die Zähne.
»Hat er das der Polizei auch erzählt?«
»Hat er nicht. Und du hältst die Klappe, ist das klar!« Cuno ließ die letzten drei Wörter fallen wie eine Handgranate. »Froschfreaks kaufen sich die Tiere meistens bei Züchtern, aber über diverse Verbindungen kriegten Hagen und Wertinger die Hüpferchen günstiger.«
»Das sind tatsächlich giftige Frösche?«
Er räusperte sich wichtigtuerisch.
»Die Frösche sind nur in freier Wildbahn giftig, das liegt an der Ernährung. Sie müssen irgendwelche giftigen Ameisen oder so fressen. Werden sie in Gefangenschaft gehalten, verliert sich der Gifteffekt. Mit Curare haben sie aber nichts zu tun.«
»Du kannst mir viel erzählen«, sagte Katinka. »Curare stammt auch aus dem tropischen Südamerika. Wer giftige Reptilien einführt, schafft es vielleicht auch mit einer Giftpflanze.«
»Könnte schon möglich sein. Sicher willst du Wertinger selber noch einmal auf den Zahn fühlen?«
»Er wird Schweinfurt ohnehin nicht verlassen dürfen, bis die Ermittlungen abgeschlossen sind. Ich schaue mich um.«
Katinka legte auf. Sie fror in ihrer dünnen Jacke. Das Gras, die Bank, alles um sie war feucht. Der Brunnen sprudelte schon seit Wochen nicht mehr.
Sie lief den Berg hinauf auf das Kloster zu und wich aus, als sie mehrere Jugendliche mit Coladosen und diversen Flaschen die Treppen hinunterrennen sah. Im Schatten der Sträucher wartete sie, bis die Typen weg waren. Hier hatte sie einst einen Mörder gestellt, in einem Fall, in dem sie mehr Fehler gemacht hatte, als ihr bekommen waren. Richtig dazugelernt habe ich nicht, dachte sie. Obwohl ich hart daran arbeite. Paula kam ihr in den Sinn. Sie war nahe daran, ein absurdes Gelübde abzulegen: Lieber Gott, mach, dass Paula gesund wird, dann werde ich auch nie mehr…Ihre Gedanken rotierten. Nie mehr was? War es nicht immer so bei diesen kindlichen Gebetsversprechen, dass man im Austausch für Gottes Gunst
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